Die Debatte um den Gesetzesentwurf für eine "Zentralmatura" aus der kritischen Sicht eines Pädagogen an einer katholischen Privatschule und eines unabhängigen AHS-Lehrer-Vertreters
Nun ist die Katze endgültig aus dem Sack: Das Bildungsministerium will eine "standardisierte, kompetenzorientierte" zentrale AHS-Reifeprüfung. Eine gemeinsame Aufgabenstellung in Deutsch, Mathematik und den Fremdsprachen soll mehr Fairness und Objektivität und damit eine bessere Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse bringen. Dieses Ziel ist auf den ersten Blick nachvollziehbar, sieht man sich den Entwurf aber genauer an und reflektiert ihn grundsätzlicher im Hinblick auf den Bildungsbegriff, der sich dahinter verbirgt, wird auch die schroffe Ablehnung, die er mitunter erfährt, verständlich.
Lernen ist ein komplexes personales Geschehen, das sich nicht auf Input und Output reduzieren lässt, Schüler sind keine Lernmaschinen. Die richtigen Rädchen zu kennen, an denen man angeblich drehen muss, macht noch keinen guten Lehrer aus. Das Faszinierendste am Unterrichten ist doch die Begegnung von Mensch zu Mensch, der Kontakt mit dem einzelnen Schüler und der einzelnen Schülerin. Das Gelernte lässt sich vom Lehrer nicht entkoppeln. Der Lehrer ist - ich widerspreche hier immer wieder kolportierten, vermeintlich modernen didaktischen Konzepten - kein Coach, kein Dompteur, kein Wissensmanager! Unterrichten bedeutet, Beziehungsarbeit zu leisten. Die schlechtesten Lehrer sind nicht die mit fachlichen Lücken, sondern die, die nicht beziehungsfähig sind.
Mehr "Objektivität" ...
Lehrerpersönlichkeiten sind - die Geisteshaltung, die hinter dem Entwurf steht, konsequent weitergedacht - nicht mehr gefragt, sondern Leute, die mit ihrer Klientel mit möglichst geringem Aufwand möglichst gute Noten erreichen. Unsere Frau Bundesministerin ist mit ihrem Stab dabei, Schulbildung mit den Kategorien von Effektivität, vordergründiger Objektivität und Uniformität auf ein modernes europataugliches Einheitsniveau herunterzubrechen.
Wer wissen will, was uns mit der Zentralmatura blüht, wage einen Blick ins vielgepriesene Ausland. Negative Entwicklungen, die durch eine Zentralmatura ausgelöst werden können, sind dort gut beobachtbar. Sie fördert nämlich eine ganz bestimmte Lern- und Schulkultur und damit indirekt auch ein ganz bestimmtes Menschenbild. Gelernt, mehr noch, gebüffelt und gedrillt wird, was zentral vorgegeben wird. Warum auch darüber hinaus etwas gelernt werden soll, ist Schülern und Eltern dann nur mehr schwer zu erklären. Unterrichtsbesuch ist dann nur in jenem Ausmaß sinnvoll, in dem er der Matura nützt. Wenn Zusatzstoff gemacht wird, kann man auch zu Hause bleiben.
... oder mehr Bildung?
Die Zentralmatura wird übrigens auch einen weiteren Wachstumsschub für Lerninstitute bringen. Lernen wird dann in erster Linie heißen, bestimmte Standards zu erfüllen. Bildung dagegen wird zur unverbindlichen Übung.
Es gehört zu meinem Selbstverständnis als Lehrer, dass ich meinen Schülerinnen und Schülern mehr vermitteln möchte als bloß das, was im Zeugnis steht. Manche Inhalte - und das wissen Schülerinnen und Schüler ganz genau - lassen sich bei einer Prüfung nicht "verbraten" und eignen sich nicht als Aufgabenstellung für eine Reifeprüfung, aber sie auszuklammern hieße, auf interessante Auseinandersetzungen, auf wichtige Lebenserfahrungen und Denkimpulse zu verzichten.
Letztlich werden wir uns entscheiden müssen, ob wir mehr Objektivität und Uniformität wollen oder mehr Bildung. (Franz Asanger, DER STANDARD, Printausgabe, 27.1.2009)
Zur Person: Franz Asanger ist Direktor des Bischöflichen Gymnasiums Petrinum in Linz.
Mittwoch, 28. Januar 2009
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