József Attila (Vidám és jó volt)
Froh war er, gut – vielleicht ein wenig stur,
wenn er im Recht sich wähnte.
Er aß gern gut und hie und da
war Gott er gleich.
Von einem Judenarzt bekam er
Mantel und die Verwandten
nannten ihn: Daß-du-dich-nie-mehr-blicken-läßt.
Im griechisch-katholischen Glauben
fand er keine Ruh, nur Pfaffen –
im Leiden war er Meister,
doch trauert nicht um ihn.
Anfang 1928
Mittwoch, 25. Februar 2009
Dienstag, 24. Februar 2009
Attila József: Nacht in der Vorstadt
(Auszug)
In ölige Fetzen gehüllt
harrt und seufzt die Nacht
am Himmel;
sie setzt sich hin,
am Rand der Stadt,
steht wieder auf und
wankt quer über den Platz,
ein Fünkchen Mond entzündet sie,
damit sie brennt.
Wie Schutthaufen liegen,
stehn Fabriken,
doch noch
schwärzere Nacht
wird dort gemacht,
dort baut der Stille man
ein Fundament.
1932
In ölige Fetzen gehüllt
harrt und seufzt die Nacht
am Himmel;
sie setzt sich hin,
am Rand der Stadt,
steht wieder auf und
wankt quer über den Platz,
ein Fünkchen Mond entzündet sie,
damit sie brennt.
Wie Schutthaufen liegen,
stehn Fabriken,
doch noch
schwärzere Nacht
wird dort gemacht,
dort baut der Stille man
ein Fundament.
1932
Wie Ungarn das Lachen verlernte
Die Wirtschaftskrise trifft Ungarn härter als die meisten anderen EU-Länder - Von Béla Rásky
Die Wirtschaftskrise trifft Ungarn härter als die meisten anderen EU-Länder. Schuld an der innenpolitischen Erstarrung tragen die regierenden Sozialisten - doch auch die Zivilgesellschaft hat außer Larmoyanz wenig anzubieten.
***
Als läge zur Zeit ein Fluch über Ungarn. Eine Hiobsbotschaft jagt die andere: Nur der IWF bewahrt das Land vor dem Kollaps, der Euro-Wechselkurs, angesichts der Fremdwährungskredite eine reale Bedrohung, knickt ein, das Auslandskapital fließt ab, Unternehmen kündigen Mitarbeiter, Rezessionsprognosen müssen täglich nach unten korrigiert werden. Die Wirtschaftskrise trifft Ungarn weit härter als andere EU-Staaten: als würde das Land gerade die Ernte für ein Jahrzehnt Nichtstun einfahren.
Seit Ende der 1990er-Jahre wurde nichts mehr wirklich angepackt: nicht die Bildungsreform, nicht die Sanierung des Gesundheitswesens, nicht die Steuerreform oder der Abbau der aufgeblähten Verwaltung. Der Staat wie seine Bürger lebten auf Pump und meinten, irgendwie schon über die Runden zu kommen. Während die Nachbarländer, auf die man immer ein wenig gönnerhaft herabgeblickt hatte, alles umkrempelten, herrschte in Ungarn Stillstand - oder besser ein kleinlicher Grabenkrieg um Geschichts- und Vergangenheitspolitik.
Aber nicht einmal hier kam es zu Klarstellungen. Die Verstrickung der ungarischen Gesellschaft in den Judenmord 1944/45, die Kollaboration vieler mit dem Kádár-System waren selten Thema. Es gab kein schmerzvolles Klären, kein Bewältigen, kein Erinnern, kein Bestrafen. Schnell war es gelungen, sich zum Opfer zu stilisieren. Lange schien es, als könnte man tatsächlich alles relativ schadlos überstehen: Wende wie Wirtschaftsreform. Allein die letzten Monate zeigen, dass es eben nicht funktioniert.
Skandale und Korruption
Die Hauptschuld an der jetzigen Situation tragen die seit acht Jahren an der Macht befindlichen Sozialisten, aber eine Mitverantwortung der ganzen politischen Elite lässt sich nicht wegleugnen. Personell seit der Wende, ja zum Teil sogar vor dieser, im Wesentlichen unverändert, immer häufiger in Skandale und Korruptionsaffären sowie kleinliche Streitereien verwickelt, zeigt sie sich unfähig, dem Land Reformziele zu geben.
Die Kernbotschaft von Ferenc Gyurcsánys berüchtigter "Lügenrede" 2006, dass es nämlich so nicht weitergehe, hatten die Opposition und die Öffentlichkeit noch in der gespielten Empörung über sein Geständnis, im Wahlkampf gelogen zu haben, untergehen lassen können. Der Ministerpräsident gab zwar nicht sofort auf, doch seit einem verlorenen Referendum im Vorjahr sind seine Reden und Interviews über Veränderungen nur mehr leeres Geschwafel: und nicht nur, weil die Opposition jeden Reformansatz zu boykottieren weiß. Gyurcsány ist zu einem Sesselkleber verkommen. Aber auch die Botschaft seiner Widersacher, der national-konservativen Fidesz unter Viktor Orbán, reduziert sich nur auf die Gebetsmühle, dass der "Lügner" gehen müsse: darüber hinaus kein ersichtliches, klares Programm, keine Idee, keine Vision.
Die einst so eloquenten ungarischen Intellektuellen, unentwegte Streiter ausgenommen, sind heute verstummt: kein Appell, kein Manifest. Die einst so kämpferischen politischen Medien Ungarns werden seit Jahren von denselben, inzwischen ergrauten, im politischen System tief verstrickten und oft kompromittierten "talking heads" beherrscht, während gleichzeitig die Kommerzmedien das Land zu Tode unterhalten. Die ungarische Gesellschaft selbst ist erschöpft, apathisch, sie suhlt sich in Selbstmitleid, unfähig, sich zu organisieren, dem Sumpf der politischen Elite eine demokratische Initiative entgegenzusetzen.
Totale Agonie
Politisch aktiv ist eigentlich nur mehr die kleine radikale Rechte, die überall mit ihren rot-weiß gestreiften, an die ungarischen Nazis erinnernden Fahnen auftaucht, in schwarzen Uniformen drohend durch Roma-Dörfer marschiert, die politische und öffentliche Sprache mit ihrer Stimme und ihrer Logik längst beherrscht. Wirklich gefährlich wäre sie nicht, wären da nicht die feigen Sozialisten, die es verabsäumen, klare Handlungen zu setzen, das staatliche Gewaltmonopol einzufordern, paramilitärische Organisationen zu verbieten, der Polizei klare Richtlinien bei Störungen von friedlichen Demonstrationen zu geben; wären da nicht die sich selbst konservativ titulierenden Kräfte und die Kirchen, die das Treiben ignorieren oder mit diesem kokettieren; wären da nicht die kommerziellen Medien, die sensationslüstern den kleinsten Vorfall hysterisieren und Öl ins Feuer gießen, und wäre da eben nicht eine in totaler Agonie versunkene Gesellschaft, die - sicher mit Abscheu und Sorge - einfach wegschaut.
Fast niemand setzt der rassistischen Verlotterung der Sprache, der Verwahrlosung des öffentlichen Raums, der sinkenden Gewaltschwelle etwas entgegen. Als wolle man nicht wahrhaben, dass die Lunte zu schweren rassistischen Ausschreitungen längst brennt, gegen die die gewalttätigen Demos der vergangenen Jahre nur ein Pappenstiel sein werden.
Dabei weiß man gerade abseits der politischen Elite längst um die Notwendigkeit des grundsätzlichen Wandels. Das nun allerorts spürbare Resultat des Nichtstuns hat die Ungarn dafür längst reif gemacht. Allein ist weit und breit niemand erkennbar, der oder die einen solchen radikalen Schritt glaubhaft vermitteln könnte. Zu oft hat man den Ungarn in den letzten Jahren Opfer abverlangt, leere Versprechungen gemacht, als dass diese nicht zutiefst skeptisch wären. Das Land macht sich keine Illusionen mehr - nicht einmal mehr bezüglich irgendwelcher starker Männer oder autoritärer Lösungen.
Offen bleibt, wer der ungarischen Gesellschaft die wohl bitterste Pille seit der Wende verabreichen, wer am Ende den Schwarzen Peter für die nötige Rosskur haben wird. Sicher ist, dass sie sehr bald geschehen muss und dass das Ganze die "kleinen Leute" ausbaden werden. Nicht einmal der politische Witz, das nach allen Richtungen schonungslose politische Kabarett, die die Kádár-Diktatur erträglich gemacht hatten, können jetzt den Ungarn mehr über die Runden helfen. Es gibt sie kaum mehr: Das rebellische, oft befreiende Lachen haben die Ungarn gründlich verlernt. (Béla Rásky, DER STANDARD, Printausgabe, 25.2.2009)
Zur Person
Béla Rásky, geboren 1959 in Wien, ist freier Historiker.
Die Wirtschaftskrise trifft Ungarn härter als die meisten anderen EU-Länder. Schuld an der innenpolitischen Erstarrung tragen die regierenden Sozialisten - doch auch die Zivilgesellschaft hat außer Larmoyanz wenig anzubieten.
***
Als läge zur Zeit ein Fluch über Ungarn. Eine Hiobsbotschaft jagt die andere: Nur der IWF bewahrt das Land vor dem Kollaps, der Euro-Wechselkurs, angesichts der Fremdwährungskredite eine reale Bedrohung, knickt ein, das Auslandskapital fließt ab, Unternehmen kündigen Mitarbeiter, Rezessionsprognosen müssen täglich nach unten korrigiert werden. Die Wirtschaftskrise trifft Ungarn weit härter als andere EU-Staaten: als würde das Land gerade die Ernte für ein Jahrzehnt Nichtstun einfahren.
Seit Ende der 1990er-Jahre wurde nichts mehr wirklich angepackt: nicht die Bildungsreform, nicht die Sanierung des Gesundheitswesens, nicht die Steuerreform oder der Abbau der aufgeblähten Verwaltung. Der Staat wie seine Bürger lebten auf Pump und meinten, irgendwie schon über die Runden zu kommen. Während die Nachbarländer, auf die man immer ein wenig gönnerhaft herabgeblickt hatte, alles umkrempelten, herrschte in Ungarn Stillstand - oder besser ein kleinlicher Grabenkrieg um Geschichts- und Vergangenheitspolitik.
Aber nicht einmal hier kam es zu Klarstellungen. Die Verstrickung der ungarischen Gesellschaft in den Judenmord 1944/45, die Kollaboration vieler mit dem Kádár-System waren selten Thema. Es gab kein schmerzvolles Klären, kein Bewältigen, kein Erinnern, kein Bestrafen. Schnell war es gelungen, sich zum Opfer zu stilisieren. Lange schien es, als könnte man tatsächlich alles relativ schadlos überstehen: Wende wie Wirtschaftsreform. Allein die letzten Monate zeigen, dass es eben nicht funktioniert.
Skandale und Korruption
Die Hauptschuld an der jetzigen Situation tragen die seit acht Jahren an der Macht befindlichen Sozialisten, aber eine Mitverantwortung der ganzen politischen Elite lässt sich nicht wegleugnen. Personell seit der Wende, ja zum Teil sogar vor dieser, im Wesentlichen unverändert, immer häufiger in Skandale und Korruptionsaffären sowie kleinliche Streitereien verwickelt, zeigt sie sich unfähig, dem Land Reformziele zu geben.
Die Kernbotschaft von Ferenc Gyurcsánys berüchtigter "Lügenrede" 2006, dass es nämlich so nicht weitergehe, hatten die Opposition und die Öffentlichkeit noch in der gespielten Empörung über sein Geständnis, im Wahlkampf gelogen zu haben, untergehen lassen können. Der Ministerpräsident gab zwar nicht sofort auf, doch seit einem verlorenen Referendum im Vorjahr sind seine Reden und Interviews über Veränderungen nur mehr leeres Geschwafel: und nicht nur, weil die Opposition jeden Reformansatz zu boykottieren weiß. Gyurcsány ist zu einem Sesselkleber verkommen. Aber auch die Botschaft seiner Widersacher, der national-konservativen Fidesz unter Viktor Orbán, reduziert sich nur auf die Gebetsmühle, dass der "Lügner" gehen müsse: darüber hinaus kein ersichtliches, klares Programm, keine Idee, keine Vision.
Die einst so eloquenten ungarischen Intellektuellen, unentwegte Streiter ausgenommen, sind heute verstummt: kein Appell, kein Manifest. Die einst so kämpferischen politischen Medien Ungarns werden seit Jahren von denselben, inzwischen ergrauten, im politischen System tief verstrickten und oft kompromittierten "talking heads" beherrscht, während gleichzeitig die Kommerzmedien das Land zu Tode unterhalten. Die ungarische Gesellschaft selbst ist erschöpft, apathisch, sie suhlt sich in Selbstmitleid, unfähig, sich zu organisieren, dem Sumpf der politischen Elite eine demokratische Initiative entgegenzusetzen.
Totale Agonie
Politisch aktiv ist eigentlich nur mehr die kleine radikale Rechte, die überall mit ihren rot-weiß gestreiften, an die ungarischen Nazis erinnernden Fahnen auftaucht, in schwarzen Uniformen drohend durch Roma-Dörfer marschiert, die politische und öffentliche Sprache mit ihrer Stimme und ihrer Logik längst beherrscht. Wirklich gefährlich wäre sie nicht, wären da nicht die feigen Sozialisten, die es verabsäumen, klare Handlungen zu setzen, das staatliche Gewaltmonopol einzufordern, paramilitärische Organisationen zu verbieten, der Polizei klare Richtlinien bei Störungen von friedlichen Demonstrationen zu geben; wären da nicht die sich selbst konservativ titulierenden Kräfte und die Kirchen, die das Treiben ignorieren oder mit diesem kokettieren; wären da nicht die kommerziellen Medien, die sensationslüstern den kleinsten Vorfall hysterisieren und Öl ins Feuer gießen, und wäre da eben nicht eine in totaler Agonie versunkene Gesellschaft, die - sicher mit Abscheu und Sorge - einfach wegschaut.
Fast niemand setzt der rassistischen Verlotterung der Sprache, der Verwahrlosung des öffentlichen Raums, der sinkenden Gewaltschwelle etwas entgegen. Als wolle man nicht wahrhaben, dass die Lunte zu schweren rassistischen Ausschreitungen längst brennt, gegen die die gewalttätigen Demos der vergangenen Jahre nur ein Pappenstiel sein werden.
Dabei weiß man gerade abseits der politischen Elite längst um die Notwendigkeit des grundsätzlichen Wandels. Das nun allerorts spürbare Resultat des Nichtstuns hat die Ungarn dafür längst reif gemacht. Allein ist weit und breit niemand erkennbar, der oder die einen solchen radikalen Schritt glaubhaft vermitteln könnte. Zu oft hat man den Ungarn in den letzten Jahren Opfer abverlangt, leere Versprechungen gemacht, als dass diese nicht zutiefst skeptisch wären. Das Land macht sich keine Illusionen mehr - nicht einmal mehr bezüglich irgendwelcher starker Männer oder autoritärer Lösungen.
Offen bleibt, wer der ungarischen Gesellschaft die wohl bitterste Pille seit der Wende verabreichen, wer am Ende den Schwarzen Peter für die nötige Rosskur haben wird. Sicher ist, dass sie sehr bald geschehen muss und dass das Ganze die "kleinen Leute" ausbaden werden. Nicht einmal der politische Witz, das nach allen Richtungen schonungslose politische Kabarett, die die Kádár-Diktatur erträglich gemacht hatten, können jetzt den Ungarn mehr über die Runden helfen. Es gibt sie kaum mehr: Das rebellische, oft befreiende Lachen haben die Ungarn gründlich verlernt. (Béla Rásky, DER STANDARD, Printausgabe, 25.2.2009)
Zur Person
Béla Rásky, geboren 1959 in Wien, ist freier Historiker.
Dienstag, 17. Februar 2009
Attila József: Leg deine Hand
Leg deine Hand
mir auf die Stirn,
als wär' sie
meine Hand.
Bewache mich
wie einen Mörder,
als hing' dein Sein
an meinem Sein.
Lieb mich, als
wär' das schön für dich,
als wär' mein Herz
auch dein.
Mai/Juni 1928
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