Dienstag, 19. Januar 2010

Mir ist auch schon übel…


Miss Ellie ist tot. Nach einem Herzinfarkt und Brustkrebs, hat die Frau, die die Ewings zusammenhielt, der Lungenkrebs dahingerafft. Ach, welche Erinnerungen: Dienstag, wenn ich mich recht entsinne, J.R.s Bosheiten, Bobby, der Obertrottel, Ray Crebs der Cowboy und Pamela, wegen der heute viele Mädchen ihre Eltern verfluchen, hat sie doch für ihren Namen Modell gestanden. Pamela Ewing ist als Pameeela in die deutschsprachigen Landstriche vorgedrungen. Ich erinnere mich, daß ich die letzte Dallas-Folge im übervollen Fernsehzimmer des Studentenheimes verfolgte; Dallas, die Urmutter aller Seifenopern, die Neugierde, wer denn auf wen geschossen hatte, war aber bald verflogen. Da waren die Softpornos von Pameeela, die dann im Morgengrauen des Internets die Runde machten, schon viel interessanter und sind mir besser im Gedächtnis geblieben. Zurück zum Lungenkrebs der lieben Miss Ellie, die nicht nur die Ewings, sondern auch unsere Familie immer zu versammeln wußte. Sie rauchte wie ein Schlot und weil ich das gleiche mache, bin auch ich ein Lungenkrebskandidat. Doch bitte ich, weil ich noch meine Freude am kurzen Leben haben will, den Trafikanten, wenn er mir eine Schachtel mit der Aufschrift “Rauchen führt zur Impotenz” gibt, gegen eine auszutauschen, die zu einem langsamen und qualvollen Tod führt; man gönnt sich ja sonst nichts.
Vor einigen Tage bin ich wieder aus dem schönen Österreich zurückgekommen und habe mir – auf allen Fronten - Verstärkung mitgenommen: zwei meiner Geschwister (ja, da gibt’s noch mehr). Wenn unsere Familie in kleinen Rudeln auftritt (bei Fischen nennt man das “Schulen”), neigen wir zum Kettenrauchen. Die zwei sind auf die Sziget gekommen (das hab ich jetzt nur geschrieben, damit die Glosse zum eben aktuellen Tagesgeschehen paßt) und zuhause, wir stammen aus einem kleinen Ort nahe der Grenze, fahren sie jede Woche einmal in die Tschechei, um Zigaretten zu kaufen. Dort sind sie natürlich billiger. Wahrscheinlich auch nicht mehr lange. Die europäischen Gesundheitsminister sind ja alle der Meinung, eine Schachtel Zigaretten müßte ungefähr 5.001 Euro kosten (der eine Euro ist die Entsorgungsgebühr für die Zigarettenstummel (Sondermüll), Plastik, Papier und krebsige Lungenflügel (Sondermüll)), damit sich ja keiner mehr eine kauft, schadet ja der Gesundheit.
Und hier haben wir sie wieder: die Lebenslüge. Einerseits schadet das Rauchen der Gesundheit, man könnte krank werden und dann haut man der Volkswirtschaft sozusagen ein Hackl ins Kreuz – schädigt damit den Kapitalismus, schädigt den Staat, der ja heutzutage auch auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist (Hat sich jemand von euch so einen Staat gewünscht? Ich weiß von meinen Eltern, sie nicht – und auch ich nicht…). Und wenn man da ein Raucherbein wegschmeißt, geht’s nicht mehr mit dem Bedienen von multinationalen Unternehmen, folglich Groß- und Kleinaktionären…
Untersuchungen, ganz einfache Plus-Minus-Rechnungen, haben ergeben, daß das Rauchen für den auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Staat keineswegs ein Verlustgeschäft ist: Der Staat verdient an den Rauchern und gar nicht zu wenig: mehr als drei Viertel des Zigarettenpreises wandern in die Taschen des lieben Staates, er muß aber nur rund 20% vom eingenommenen Geld für Krankheitsfälle ausgeben, die vom Rauchen verursacht werden. Und dann sterben wir auch noch früher, wir Raucher! Das wird stets vergessen. Also bekommen wir weniger Pension ausbezahlt, liegen dem Staat weniger lange auf der Tasche als sportliche Grünzeugfresser.
Wir sind das absolute Geschäft: Zahlen viele Steuern, sterben früh. Und noch nie hat jemand “Danke” gesagt. Das tut weh. Die vielen Millionen Raucher werden mich absolut verstehen, die ignoranten Nichtraucher wollen mich nicht verstehen. Rauchen ist ungesund, das wissen wir, dann konzentriert euch doch, liebe Politiker, einmal nicht auf die Gewinnmaximierung, darauf, daß jeder Staatsbürger zu einem geschmiertes Rädchen in der kapitalistischen Maschinerie herangezogen werden muß, lehrt uns, schon in den Schulen, wie man lebt, wie man genießt, laßt uns die Lehrer keine Komplexe anzüchten, lehrt uns, wie wir mit Streßsituationen umgehen sollen, räumt die Probleme aus dem Weg, die gesellschaftlichen, gebt uns Lösungen für unsere Sinnkrisen, aber dalli!! Wenn jeder einen Swimmingpool und Tennisplatz zuhause hätte und sich keine Sorgen ums tägliche finanzielle und geistige Überleben machen müßte, würde es reichlich wenigen einfallen, sich mit Nikotin, Koffein, Fett und anderen Drogen vollzustopfen. Dann bekämen wir nämlich keine Luft beim Sporteln.
Also, im Zeitalter des Neoliberalismus ist die Rache Montezumas, nicht mehr das, was man noch im 20. Jahrhundert darunter verstanden hat. Die Rache Montezumas an Good Old Europe ist der Tabak, der heutzutage offiziell überall verschmäht wird.
Nach den diktatorischen Eskapaden in Irland und Italien, wo man heute nur mehr im eigenen Scheißhaus rauchen darf, aber auch nur dann, wenn das Licht abgedreht ist, denkt man auch in Ungarn über ähnliche Maßnahmen nach, obwohl hier schon seit 4 Jahren ein überaus strenges Rauchergesetz in Kraft ist. In öffentlichen Gebäuden ist mit 30.000 – 100.000 Forint Strafe zu rechen, wenn man sich eine anheizt und dabei erwischt wird. (Das gleiche Gesetz scheint im ungarischen Parlament nicht zu gelten, dort wurden vor nicht allzu langer Zeit von einem Fernsehsender die lieben Volksvertreter bei Qualmorgien gefilmt, woraufhin dieser Anstalt Drehverbot erteilt wurde…)
Trafikanten, die an unter 18jährige Rauchwaren verkaufen, dürfen gleich einmal 100.000 Forint locker machen oder zwischen Schwerverbrechern ein paar schöne Tage im Gefängnis verbringen. (Ein Journalist aus Szeged, nennen wir ihn selbstüberschätzend doch: Kollege; ein Kollege also, wurde 2002 zu zwei Wochen Haft im Csillagbörtön in Szeged verdonnert – dort sitzen die Vergewaltiger, Massenmörder usf. –, weil er sich nach reichlichem Biergenuß eines Nachts an einem Busch Erleichterung verschaffte und eben das Pech hatte, daß Polizisten in jenem Momente ihres Weges kamen. Er ließ trotz wiederholter Aufforderung nicht vom Urinieren ab, leistete sozusagen blasenmäßigen Widerstand gegen die Staatsgewalt, und war anschließend nicht bereit 1.500,-- Forint Strafe zu bezahlen.)
Um die Menschen zur freiwilligen Einhaltung der Gesetze zu zwingen, wird staatlicherseits auf hintertriebene Methoden zurückgegriffen, die sich ein Normalsterblicher nicht einmal im Traume ausmalen möchte. Kindergartenkinder werden von den Behörden ausgeschickt, Zigaretten einzukaufen, mit wenig Erfolg, versteht sich. 17 ½jährige, die wie 20jährige aussehen, werden von den Behörden ausgeschickt, Zigaretten einzukaufen, mit mehr Erfolg versteht sich.
Ähnliche Methoden werden von der APEH, dem ungarischen Finanzamt, angewandt. Einem Bekannten von mir wurde sein Büffet in der Großen Markthalle zugedreht, weil eine sogeglaubte Großmutter mit ihrem Enkel an der Hand eines schönen Tages bei ihm Gulaschsuppe bestellte, zwei Scheiben Brot, diese auch erhielt, dazu den Kassenzettel. Gegen Ende des Tellers Suppe, schickte sie ihren sogeglaubten Enkel noch einmal um eine Scheibe Brot an die Pudel, der Bub bezahlte die zehn Forint, bekam jedoch keinen Kassenzettel. Die sogeglaubte Oma zückte unverzüglich ihren Ausweis – sie war ein verdeckter Ermittler der Steuerbehörde: Strafe wegen Steuerhinterziehung, Geschäft für zwei Tage geschlossen.
Also, wenn wir Raucher im Magyarenland nicht in einer Strafanstalt für Schwerverbrecher aufwachen wollen (neben einem Tauschbörschenbenützer vielleicht), müssen wir uns in Zukunft gründlich vorsehen. Denn in einem Land, in dem, wenn man sich die Kommuniqués und Verlautbarungen der Politiker, die Debatten im Parlament zu Gemüte führt, man meinen könnte, daß 365 Tage des Jahres die Narren das Sagen haben, der eine Abgeordnete den anderen in der Absurdität seiner Büttenrede um Häuser übertreffen will, muß man wirklich mit perversem Erfindungsreichtum der Behörden rechnen: Gebet keinem, den ihr nicht kennt, Feuer!
Das ungarische Rauchergesetz soll, ohnehin schon streng, in zwei Jahren so rigoros sein, wie jenes in Italien und Irland: eine Fortsetzung der saubermännischen Heuchelei der ungarischen Regierungen. Neben dem strengsten Drogengesetz Europas (nur Bestrafung – es sind weder Prävention noch Rehabilitation von staatlicher Seite vorgesehen) vielleicht auch noch das strengste Rauchergesetz?
Aus Ungarn könnte man ein klasses, liberales Ländchen machen – nach holländischem, schwedischem, nicht amerikanischem Vorbild. Doch das wird wohl nicht geschehen.
Zum Schluß eine Nachricht an alle Herrschenden der Erde: Sagt doch ab und zu mal “Danke“ zu eure Untertanen, vielleicht auch zu den Rauchern.

12. August 2005

Keine Kommentare: