Freitag, 29. Januar 2010

Was hier abläuft, ist durchdachte Provokation

von Miklósi Gábor

[Dieses Interview ist am 30. Juni 2009 in der Internetzeitung index.hu erschienen. Obwohl es ein halbes Jahr alt ist, haben sich die Standpunkte und Ansichten der Partei Jobbik und die ihres Vorsitzenden Gábor Vona nicht geändert. Ich enthalte mich jeden Kommentars, Gedanken zum Gesagten wird sich ohnehin jeder selber machen. Eventuelle sprachliche Eigenartigkeiten entstammen nicht der schlechten Übersetzung, sondern ganz im Gegenteil, der guten.]

Fünfzehn Prozent der Wahlteilnehmer haben im Juni bei den EU-Wahlen für die Partei Jobbik gestimmt. Die Partei hat sich in Ungarn somit als politische Kraft etabliert. Der Vorsitzende der Jobbik, Gábor Vona, sprach über das Programm der Partei, über „Zigeunerkriminalität“, über Landwirtschaft, multinationale Unternehmen, Familienwirtschaften, Schwule, Juden und den Turul-Vogel [ein Fabelwesen der ungarischen Mythologie].

index.hu: „Ungarn gehört den Ungarn“, meint die Partei Jobbik. Wer sind nun die Ungarn, und wem gehört Ungarn nicht?

Vona: Dieser Spruch mag diskriminierend klingen, ich denke aber, dass er eher Aufnahmebereitschaft, Offenheit symbolisiert. Jeder, für den diese Land nicht eine Räuberhöhle oder ein Arbeitslager ist, aus dem man möglichst viel Profit pumpen kann, sondern für den es seine Heimat darstellt, der sich mit ihm verbunden fühlt und hier sein Glück finden möchte, der nur das beste für sein Land will, darf sich mit diesem Spruch identifizieren.

Auf wenn bezieht sich der Slogan dann nicht?

V. Auf die multinationalen Unternehmen z.B. und auf die ungarische Politgarnitur, die diesen Unternehmen dient.

Sind die Zigeuner für Sie Ungarn?

V. All jene sind Ungarn, die denken, dass Ungarn ihre Heimat ist, und die Ungarn nicht für ein Land halten, das man aussaugen, ausrauben, niederbrennen muss. Heimat bedeutet, dass man für seine Heimat auch Opfer bringt.

Wie sehen diese Opfer aus?

V. Dass man arbeitet zum Beispiel.

Jene, die in ungarischen Krisenregionen leben, denen es an Schulbildung mangelt, die keine Arbeit finden oder vielleicht viele Kinder haben und deshalb soziale Unterstützung erhalten, sind also keine Ungarn?
V. Wir können jetzt darauf herumreiten, wer dazugehört und wer nicht. Ich hab gesagt, was ich im Zusammenhang damit sagen kann, und ich halte unseren Slogan für sehr versöhnlich.

In ihrem Programm ist die Schaffung von Ordnung ein zentrales Moment. Wie würden Sie Ordnung schaffen?


V. Wir haben bis jetzt schon mehr für die Ordnung getan, als die politische Garnitur in den letzen zwanzig Jahren. Wir haben die Aufmerksamkeit auf Probleme gelenkt, von denen jeder weiß, aber über die sich keiner sprechen traut: die Zigeunerfrage und der Zustand des ungarischen Militärs. Wir haben auch konkrete Schritte vorgeschlagen, z.B. dass, um die Zigeunerkriminalität abzustellen, auf dem Land sehr wohl wieder die Gendarmerie aufgestellt werden muss, eine Exekutive, die Vollmachten und die Ausbildung hat, um dann mit der entsprechenden Tatkraft auftreten zu können. [Die Gendarmerie war in der Zwischenkriegszeit ein gefürchtetes Unterdrückungsinstrument – Anm. d. Übers.]

Wenn Sie von „Zigeunerkriminalität“ sprechen, dann unterstellen Sie ja einen Zusammenhang zwischen Kriminalität und Abstammung.

V. Das ist ein kriminologischer Begriff, den man an der Juristischen Fakultät und in der Polizeischule unterrichtet hat. Das bedeutet nicht, dass jeder Zigeuner ein Verbrecher ist, sondern dass es spezielle, für die Zigeuner charakteristische Verbrechensformen gibt, die von der Polizei deshalb gesondert zu behandeln sind. Und wir sagen, dass diese Phänomene in Ungarn leider präsent sind, ja fröhliche Urständ feiern.

Schon in den 80er hat man nachgewiesen, dass in jenen Gesellschaftsgruppen, die in einer ähnlichen sozialen Lage sind, die Kriminalität genau so hoch ist, d.h. es gibt keinen ethnischen Grund für die Kriminalität. Nachdem viele Zigeuner in größter Armut leben, werden viele Straftaten, die fürs tägliche Überleben sorgen, eben von Zigeunern begangen.

V. Natürlich kann man sich jetzt auf alle möglichen Studien berufen, doch ich glaube, wenn wir hören: Messerstecherei, Wucher, Holzdiebstahl, Buntmetalldiebstahl, Massenschlägereien zwischen zwei Familien, dann – heucheln wir jetzt doch nicht! – wissen alle, dass diese Verbrecher nur Zigeuner gewesen sein können! Das ist kein Vorurteil, das ist Erfahrung, das ist die Wirklichkeit. Darüber wird aber geschwiegen. Unsere Partei Jobbik und die Ungarische Garde hat hier historisches geleistet: Wir haben diese Mauer des Schweigens durchbrochen.

Über jene Wahrheit, die viel weniger populär, plakativ und greifbar ist, wird genauso geschwiegen: Dass die Kriminalität keine ethnische Frage ist. Metalldiebstahl, Holzdiebstahl, Diebstahl der Gurken des Nachbarn…

V. Die Kriminalität ist eine soziokulturelle Frage, in diesem Punkt sind wir uns einig…

Wenn Sie verstehen, dass es kein ethnisches Problem ist, ist es dann nicht eine furchtbare Verantwortungslosigkeit, die Sache auf Abstammung, auf die Zigeuner zu reduzieren?

V. Kriminalität ist nicht eine Frage der Hautfarbe, die Zigeunerkriminalität bezieht sich nicht auf jeden Zigeuner. Ich bin schon so weit, wenn nun dieses Wort das Hindernis für die Lösung des Problems ist, dann verzichte ich auf dieses Wort. Die Hauptsache ist, dass das Problem gelöst wird.

Warum sprechen Sie nicht von den hunderttausend Familien, in denen die Erwachsenen regelmäßig einander oder die Kinder schlagen?

V. Weil es auch andere Gewalt gibt, ist es nicht erlaubt über die Zigeuner zu reden?

Doch, aber sie haben sich ausschließlich jene Verbrechensformen an die Fahnen geheftet, bei denen die Tätergruppe eine große Überschneidung mit den Zigeunern aufweist.

V. In Veszprém wurde ein Mensch im Affekt ins Herz gestochen, das ist, meiner Meinung nach, eine typische Episode der Zigeunerkriminalität gewesen. Sicher gibt es auch nicht zigeunerische Täter, aber wenn eine alte Frau wegen einem Becher Sauerrahm oder ein paar tausend Forint umgebracht wird, sind die Täter fast immer Zigeuner.

Die Zigeuner sind also leicht reizbare, sanguinische Menschen, die gleich zum Messer greifen?

V. Ja, so ist es, aber ich bin kein Experte bezüglich dieser Frage.

Über die Ungarn kann man dann sagen, dass sie überlegter handeln, eher Auftragsmörder bezahlen, Tankstellen, Geldautomaten und Banken wie in Mór ausrauben? [In Mór wurden bei einem Banküberfall 8 Menschen niedergemetzelt.]

V. Wir reden von der Zigeunerkriminalität, die laut dem Großteil der Gesellschaft sehr wohl existiert. Wer das bestreitet, sucht nicht nach Lösungen, sondern schürt die Spannung.

Das Kindergeld würde laut ihrem Programm nur bis zu drei Kindern ausbezahlt. Darüber könnte man es als Steuervergünstigung wahrnehmen. Die Familien, die viele Kinder haben und in großer Armut leben – das sind vor allem Zigeunerfamilien – in denen auch oft die Eltern noch arbeitslos sind, würden teilweise nur mehr die Hälfte an Einkommen haben. Sie würden dann auch noch neben jeden Zigeuner einen Gendarmen stellen. Glauben Sie nicht, dass diese reine Symptombehandlung einerseits zu einer sozialen Katastrophe führen würde, andererseits sich die ethnischen Spannungen noch verstärken würden?

V. Nein, wir wollen nicht nur die Symptome bekämpfen, die Wurzel des Problems ist, dass es keine Arbeit gibt. Im Tausch dafür gäbe es Arbeit.

Welche Arbeit wird es in Bodrogköz, in Ormánság geben? [Die ärmsten Regionen Ungarns.]

V. Eine große Sünde der letzten zwanzig Jahre ist die Zerschlagung der Landwirtschaft. Unserer Vorstellung nach muss Ungarn Agrarmärkte finden. Die Politik muss eine Lösung finden, auch wenn das zu Konflikten mit der EU führt. Der heimische Markt muss dem ungarischen Agrarium vorbehalten bleiben. Keine thailändischen Paprika und keinen chinesischen Knoblauch! Angeblich könnte Ungarn dreißig Millionen Menschen ernähren, wenn wir unsere Ressourcen nützen würden, wir müssten uns nach ausländischen Märkten umsehen.

Wenn wir den heimischen Markt für ausländische Produkte sperren, können wir – wenn wir dann überhaupt Mitglieder bleiben dürfen – sicher nicht mehr in die EU exportieren.


V. Im Osten gibt es genügend Märkte, ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ungarische landwirtschaftliche Produkte nicht in Massen nach Russland, China, Japan exportieren könnten. Wenn wir so weit sind, lohnt es sich, in die Landwirtschaft zu investieren, und das schafft Arbeitsplätze. Die landwirtschaftlichen Unternehmen, die kurz vor der Exekution stehen, die Familienbetriebe zu retten, ihnen wieder auf die Beine zu helfen, würde Arbeitsplätze schaffen.

Ist das nicht ein Widerspruch? Sie wollen Familienbetriebe fördern und mit diesen neue Auslandsmärkte erschließen? Wie können deren Produkte in China wettbewerbsfähig sein?

V. Insofern haben sie recht, dass diese Frage von der Zukunft entschieden werden muss. Es ist vor allen eine Frage des Willens. Will die ungarische Politik nun die ungarische Landwirtschaft retten? Nein, will sie nicht. Wenn die Landwirtschaft wieder auf die Beine kommt, wird auch die Lebensmittelindustrie und die Produktion von landwirtschaftlichen Maschinen in Ungarn, in ungarischer Hand, wieder eine Blütezeit erleben.

Ich habe von wirtschaftlicher Irrationalität gesprochen und Sie beginnen mir vom Willen zu erzählen.

V. Denn ich glaube, ein Aufblühen der Landwirtschaft ist vor allen eine Frage des Willens, des politischen Willens. Wir sehen die Zukunft in den Familienbetrieben und kleineren Agrarunternehmen. Doch wenn wir diesen Weg beschreiten, muss man natürlich flexibel sein, und wenn man Veränderungen machen muss, müssen wir dazu imstande sein. Es wäre schön, wenn wir schon so weit sein würden und unser Programm testen könnten.

Ein Eckstein Ihres Wirtschaftsprogrammes ist, dass die ungarischen Klein- und Mittelbetriebe (KMB) genau die gleichen Vergünstigungen bekommen müssen wie die hier investierenden multinationalen Firmen. Was würde das in der Praxis bedeuten?

V. Laut der mir bekannten Statistiken bekommen die ungarischen KMB nur drei Prozent der EU-Förderungen, die in Ungarn verteilt werden. 97 % erhalten die Großen, die zum Großteil in multinationalen Händen sind. Das ist an sich schon ungerecht und noch ungerechter, wenn wir dazusagen, dass zwei Drittel der ungarischen Arbeitnehmer von KMB beschäftigt werden.

Der größte Teil der EU-Förderungen wird für Strukturverbesserungen und Kohäsion verwendet, große öffentliche Investitionen, Verbesserung der Infrastruktur. Bei diesen Ausschreibungen können sich nur große Firmen bewerben, die Kovacs und Co GmbH nicht oder höchstens als Subunternehmen. Was kann man daran ändern?

V. Diese ganze Sache muss neu durchdacht werden. Und unsere EU-Mitgliedschaft bringt keinen einseitigen Geldstrom, es gibt auch eine andere Richtung, die Beiträge, die bezahlt werden müssen. Man weiß nicht genau, ob wir nun Nettozahler sind oder mehr zurückbekommen, als wir bezahlen.

Die ungarischen Beitragszahlungen liegen unter einem Prozent des BIP, demgegenüber können wir zwischen 2007 und 2013 bereits 4,8% des BIP, also mehr als 10.000 Mrd. Forint verbrauchen.

V. Meiner Meinung nach zahlen wir fast so viel ein, wie wir zurückbekommen, einen wesentlichen Unterschied gibt es da nicht. Die Einzahlungen sind eine Tatsache, die Förderungen sind Möglichkeiten, für die man sich bewerben muss. Mit Vorfinanzierung, Eigenanteil und Bedingungen, die nur auf Multis zutreffen.

Die Multis tauchen in ihrer Welt als diabolische Kräfte auf, die alles Geld in sich aufsaugen.

V. In den meisten Fällen ist das genau so.

Diese Firmen investieren hier Milliarden und beschäftigen viele zehntausende Menschen, haben einen großen Kreis von Zulieferern, führen eine moderne technische und Unternehmenskultur in Ungarn ein, sie lassen bauen…

V. Gebäude in Leichtbauweise, die man, wenn der Sturm kommt oder die Wirtschaftskrise, einfach so zurücklassen kann, wenn man davonläuft. Wir haben multinationales Kapital schlechter Qualität angezogen, bauen in China hergestellte Einzelteile zusammen und verkaufen sie. Und auch was die Größenordnung betrifft, ist das multinationale Kapital hier bei uns viel zu viel.

Sind General Electrics, Audi und Mercedes auch zu viel?

V. Es kommen z.B. Autoreifenproduzenten hierher, die wahnsinnig umweltbelastend sind. Für die multinationalen Firmen ist Ungarn eine Steueroase, sie bekommen sehr billige aber sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte, und sie erlauben keine Gewerkschaft in ihrer Firma. Der Großteil des Profits wird nach Hause abgeführt und zum Steueraufkommen tragen sie nur minimalst bei.

Die Beiträge, die für jeden Angestellten bezahlt werden müssen, bezahlen sie genau wie die KMB, sie werden nur bezüglich der Gewerbesteuer begünstigt.

V. Man muss neue Arten von Steuern einführen, die den Beitrag der Multis am Steueraufkommen erhöhen. Z.B. die Werbesteuer. Die Werbeeinnahmen der großen privaten Radio- und Fernsehsender betragen mehr als 1000 Mrd. Forint, ich weiß nicht, wie viel es genau ist.

Die Einnahmen betragen nicht einmal 100 Mrd.

V. Einigen wir uns auf mehrere hundert Mrd. Forint. Die jährliche Staatsschuldenlast beträgt ungefähr 1200 Milliarden, die muss von uns allen getragen werden. Warum hat das noch nie jemand vorgeschlagen: Wir haben hier diese heilige Kuh – die Werbeinnahmen, und die will keiner besteuern? Im Hinblick auf die Krise müsste davon mindestens ein Drittel eingefordert werden.

Glauben Sie nicht, wenn es teurer ist, Reklame an eine bestimmte Menschgruppe zu bringen, dass diese Mehrkosten in den Preis eingebaut werden und sie schließlich wiederum vom Konsumenten bezahlt werden müssen?

V. Das ist eine Hypothese und sie ist logisch, das muss ich zugeben, doch ich glaube nicht, dass man mit einer weiteren Preiserhöhung auf dem Markt jetzt Ergebnisse erzielen kann. Wenn sie ihre Produkte verkaufen wollen, werden sie die Preise nicht erhöhen. Man kann auf Sie, auf mich, auf all die anderen anständigen Menschen Druck ausüben und auf die Großunternehmen nicht?

Warum wollen sie die Gay Pride Parade verhindern? Warum ist es gut für Sie, einer Gruppe ungarischer Staatsbürger das Recht auf Versammlungsfreiheit abzusprechen?

V. Ich bin der Meinung, dieser Umzug verletzt auch die normalen, anständigen Homosexuellen in ihrer Ehre.

Waren Sie schon einmal beim Umzug dabei?

V. Nein. Aber ich habe Bilder und Filme gesehen.

Die Medien zeigen immer gerne die Extreme: Menschen, die im Tanga und rosaroten Kleidern herumhüpfen. Der Großteil der Teilnehmer ist aber ganz normal angezogen.

V. Dafür eine Lösung zu finden, ist die Aufgabe der Organisatoren. Was wir im Rahmen dieses Umzuges sehen, ist organisierte Provokation. Mich stört nicht, dass es auf der Welt Homosexuelle gibt, die hat es immer gegeben. Doch sie haben nichts auf der Straße verloren. Was hier geschieht, ist Erregung öffentlichen Ärgernisses.

Was Erregung öffentlichen Ärgernisses ist und was nicht, hängt nicht von Ihrer Meinung ab, sondern vom Gesetz. Wenn zwei heterosexuelle Teenager im Autobus herumschmusen, ist das für Sie offensichtlich keine Erregung öffentlichen Ärgernisses.

V. Nein, das gehört zum Alltag. Ich hoffe, es wird niemals zum Alltag gehören, dass ein stark behaarter Mann in einem violetten Tanga mit einer rosaroten Bibel in der Hand auf einem Lastwagen herumtobt. Vielleicht ist es Spanisch für Sie, warum das die Mehrheit der Gesellschaft irritiert.

Im Herbst 2006 ist die Polizei brutal gegen die Demonstranten in Budapest vorgegangen [damals wurde z.B. des Gebäude des ungarischen Fernsehens von Randalierern gestürmt; später dann wurde bei den Feierlichkeiten zum Volksaufstand 1956 ein Panzer gestohlen – Anm. d. Übers.] Dagegen haben auch Sie mit Recht protestiert, und haben sich dabei auf Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit berufen. Wenn die Homosexuellen ihre Gay Pride abhalten, wollen Sie ihnen gerade diese Rechte absprechen. Gehört es nicht zur Demokratie, dass wir, auch was uns irritiert, solange es innerhalb des gesetzlichen Rahmens bleibt, dulden?

V. Nein. Es gibt Schwulenklubs, dort können sie hingehen, wenn sie in solcher Kleidung herumlaufen wollen. Der Umzug der Ungarischen Garde [die seit Herbst 2009 aufgelöst und verboten ist, dennoch wird weiter marschiert – Anm. des Übs.] auf der Andrássystraße wird nie genehmigt, weil dadurch, laut Begründung, die Gefühle bestimmter Gesellschaftsgruppen verletzt werden. Der Schwulenumzug verletzt unsere Gefühle. Es scheint, in Ungarn haben die Schwulen mehr Rechte als die Mitglieder der Garde.

Was ist Ihre Meinung zum Turuldenkmal das man im 12. Budapester Gemeindebezirk ohne Genehmigung errichtet hat? Es soll abgerissen werden, diesbezüglich gibt es ja auch schon ein rechtskräftiges Urteil.

V. Und das ist wiederum eine politische Provokation. Die Menschen haben sich für diese Statue stark gemacht, auch der Bezirk; und die Stadt betreibt Vogelstraußpolitik und protestiert dagegen. Soviel ich weiß, hat es auch andere Sachen gegeben, die ohne Genehmigung, auf ähnliche diskutable Weise gebaut wurde, trotzdem hat Gábor Demszky [der Budapester Bürgermeister] nicht dagegen protestiert. Wenn sie ein wenig Anstand hätten, würden sie sagen, wir regeln das Rechtliche, damit der Turul stehen bleiben kann.

Der Staatliche Rechnungshof hat die Partei Jobbik gerügt, weil sie seit ihrer Gründung ihre Bilanzen nicht veröffentlicht hat.

V. In dieser Sache hat unser Parteidirektor eine Erklärung abgegeben, er hat das mit der Aufstellung des Vorstandes begründet.

Deshalb ist es Ihnen seit 2003 unmöglich, die Bilanzen zu veröffentlichen?

V. Ja, der Vorstand wird sich jetzt im September konstituieren. Eigenartig, dass das gerade jetzt, während der Wahlkampagne so dringend geworden ist, oder eher eindeutig, wovon hier eigentlich die Rede ist. Wir verfolgen eine gesetzestreue Politik, eine Politik von Recht und Ordnung, und die sehen wir auch für uns selbst als verpflichtend an. Deshalb werden wir in Zukunft darauf achten, besonders auch deshalb, weil wir wirklich nichts zu verheimlichen haben.

Ihre Gesetzestreue bedeutet also, dass, wenn es um Ihnen sympathische Symbole oder Angelegenheiten geht, über den Gesetzesbruch hinweggesehen werden soll, die unsympathische Gay Pride muss aber verhindert werden, obwohl sie gesetzeskonform ist?

V. Das ist jetzt sehr überspitzt formuliert. Die Frage ist eher, wenn jetzt das Denkmal abgerissen wird, der Bezirk es danach genehmigt, es wieder aufgestellt wird, wie dann die Stadt reagieren wird. Ich bin überzeugt, Gábor Demzsky hat kein Problem damit, dass es keine Genehmigung gibt, er hat ein Problem mit dem Turul-Vogel. Darum sage ich: Das alles ist viel Tamtam um nichts. Das ist keine rechtliche Angelegenheit, genau wie der Prozess gegen den Verein Ungarische Garde keine rechtliche Angelegenheit ist, sondern eine politische.

Ich habe am Wahltag aus Ihrer Wahlzentrale berichtet, ich war auf mehreren Umzügen der Ungarischen Garde, auf Veranstaltungen der Jobbik. Aus Ihrem Programm ist der Rassismus leicht herauszuhören, obwohl Sie ihn ja kodieren. Doch auf den Veranstaltungen sind Sie nicht mehr so vorsichtig, dort beschimpfen Sie ganz offen Zigeuner und Juden.

V. Ich habe kein Problem damit, über diese Dinge zu sprechen: Reden wir über die Judenfrage. Schimon Peres hat als Präsident Israels auf einer offiziellen Konferenz gesagt: „Wir werden Ungarn aufkaufen.“ Die heimischen politischen Kräfte müssen dagegen protestieren, dass Israel unser Land besetzt!

Ich denke, Peres sprach über die israelischen Immobilieninvestitionen, das hat er unglücklich formuliert. Und sie haben das aufgeblasen.

V. Ich kann das nicht nicht ernst nehmen. Was bei mir die Alarmglocken auslöst, ist die Tatsache, dass es über diese Aussage weder einen politischen noch einen Mediendiskurs gegeben hat. Es wurde geschwiegen, wie Mitwisser schweigen.

Ihren Erfahrungen nach wird Ungarn wirklich vom israelischen Großkapital aufgekauft?

V. Ja, ich habe diesen Eindruck. Vielleicht ist es eine Verschwörungstheorie, dass Israels Lage immer instabiler wird, im Arabischen Meer können sie nicht mehr mithalten, die amerikanischen Waffen- und Geldtransporte werden auch nicht für immer andauern, Gaza hat ihrem internationalen Ansehen geschadet, und ich kann mir vorstellen, dass sie jetzt nach Fluchtwegen, Fluchtmöglichkeiten suchen. Ungarn bietet großartige Möglichkeiten für die israelische Flucht, weil hier gute Voraussetzungen gegeben sind: die Gesellschaft ist aufnahmebereit, gastfreundlich und die Politiker sind korrupt.

Werden die ungarischen Juden von dieser Invasion profitieren oder darunter leiden?

V. Ich kenne die ungarischen Juden nicht, aber die sind auch ein Block, der sich im Zwielicht aufhält. Das ist ein Tabu, über das man sprechen müsste: Wie ist der Standpunkt der ungarischen Juden, was ist Ungarn für sie? Ihre Heimat oder nur eine provisorische Unterkunft?

Sie sprechen von den Juden als einem Block, der eine homogene Meinung vertritt. Weiß man vom ungarischen Ungarntum, was es will?

V. Ich sehe, dass sich das ungarische Judentum versteckt. Es bezieht keine Stellung, ist weder dafür noch dagegen. Jene, die Stellung beziehen, z.B. der Mazsihisz [Verband der Jüdischen Glaubensgemeinschaften in Ungarn], von denen rinnt es mir kalt über den Buckel runter.

Ich bin ungarischer Jude, habe mit der Mazsihisz nichts am Hut, ich bin hier zuhause, verstecke mich vor niemandem und ich habe keine Ahnung, wie ich aus dem von Ihnen beschriebenen Zwielicht, aus meinem Versteck hervortreten sollte.

V. Das muss nicht ich entscheiden, das müssen Sie entscheiden.

Gerade eben habe Sie gesagt, wir würden uns verstecken. Wenn Sie von den Juden als eine Gruppe sprechen, die gemeinsame, verborgene Absichten hat, wollen Sie sich ganz einfach der negativen Vorurteile ihnen gegenüber bedienen.

V. Ich wäre am glücklichsten von allen, wenn sich herausstellen würde, dass die Aussage von Schimon Peres einfach der Senilität eines alten Politikers entsprungen ist.

Laut Ihrer Profilseite auf einem Gemeinschaftsportal sind Sie Produktmanager. Mit welchem Produkt beschäftigen Sie sich?


V. Ich habe einen Abschluss in Geschichte, war aber nur kurze Zeit als Lehrer tätig. Früher habe ich mich mit Alarmanlagen beschäftigt, jetzt mit Software.

Quelle: http://index.hu/belfold/2009/06/30/amit_latunk_az_szervezett_provokacio

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