Sonntag, 14. Dezember 2008

Warum wir bald sehr alt ausschauen


Die Österreicher scheinen sich als Inselvolk zu sehen, das unabhängig von der Welt ihr Schnitzel genießen kann - von Carl Djerassi

Die Ergebnisse der letzten österreichischen Wahlen haben große Erfolge für Parteien gebracht, die ausländerfeindlich orientiert sind. Auch wenn die Hinwendung zu diesen Parteien nicht nur mit xenophoben Motiven begründet werden kann, hat mich die Verstärkung dieser Tendenzen sehr überrascht - nicht nur aus moralischen Gründen, sondern auch weil sie eine dümmliche Haltung dokumentieren. Offenbar haben fast 30 Prozent der Einwohner dieses Landes ihre Ausbildung in Schulen erhalten, die nichts über die demografische Situation in der jetzigen Welt lehren.

Gott segne das Schnitzel

Diese Österreicher unterliegen noch immer der Illusion, dass ihr kleines Land nicht in der Mitte von Europa liegt, sondern auf einer Insel, wo der liebe Gott sie unabhängig vom Rest der Welt leben und ihr Schnitzel genießen lässt. Noch erschreckender ist die Beobachtung, dass die Mehrheit dieser Wähler xenophober Parteien unter 30 ist. Mein Beitrag soll helfen, diese Menschen aufzuwecken.
Ich möchte mit dem realistischen Faktum beginnen, dass zwischen Sexualität und Reproduktion in Zukunft keinerlei Zusammenhang bestehen wird. Im Grunde ist diese Trennung im katholischen Österreich, einem Land mit durchschnittlich 1,4 Kindern pro Familie, schon vollzogen. Die meisten Österreicher genießen Geschlechtsverkehr, ohne dabei ein Kind bekommen zu wollen oder zu bekommen.

Horrorszenario

Da ein Land ungefähr 2,1 Kinder pro Familie braucht, um demografisch auch nur den Status quo zu wahren, ist es klar, dass die Bevölkerung eines 1,4-Kinder-Landes in diesem Jahrhundert schrumpfen wird. Statt die naiven Wähler ausländerfeindlicher Parteien mit dem konkreten österreichischen Horrorszenario zu schockieren, möchte ich mit der Situation eines Nachbarlandes beginnen, das mehr oder minder dieselbe Sprache spricht, aber zehnmal größer ist, nämlich Deutschland.

Beide Länder, wie auch die meisten anderen in Europa, leiden an einer ernsten Krankheit, dem raschen Altern der Bevölkerung, das quantitativ am leichtesten durch den Prozentsatz der Bevölkerung, der älter als 65 Jahre ist, ausgedrückt werden kann. In dieser Beziehung ist Deutschland sehr krank, da es von den 195 Ländern der Welt das viertälteste ist - mit 18,3 Prozent der Bevölkerung über 65. Österreich mit "nur" 16 Prozent der Bevölkerung über 65 ist das dreizehntälteste unter diesen 195 Ländern - im Vergleich zum todkranken Deutschland nur ein minimaler Unterschied.

Natürlich wird die Bevölkerung nicht nur älter, sondern sie schrumpft auch. Man schätzt, dass Deutschland ungefähr 200.000 neue Einwanderer pro Jahr brauchen würde, um seine jetzige Bevölkerungszahl zu bewahren.

Wir schrumpfen

Was würde passieren, wenn ein solches Land keine Einwanderung hätte? Nehmen wir Bulgarien, ungefähr genauso groß wie Österreich, 17 Prozent der Bevölkerung sind über 65 Jahre. Laut Vorhersagen wird die Bevölkerung dort im Jahre 2050, verglichen mit 2007, um 34 Prozent geschrumpft sein!

In Österreich gibt es jetzt schon mehr Menschen über 65, als Kin_-der unter 15 Jahren. In Japan, dem zweitältesten Land der Welt, schätzt man, dass 40 Prozent der Bevölkerung in den nächsten 50 Jahren über 65 Jahre alt sein werden. Man muss kein Wirtschaftswissenschafter oder Demograf sein, um zu verstehen, dass in diesem Jahrhundert in vielen Ländern eine unmögliche Situation entstehen wird. Es wird nicht mehr genug junge Beschäftigte geben, welche die notwendige gesellschaftliche Arbeit und die Deckung der Pensionskosten übernehmen werden können.

Die dramatische Entwicklung lässt sich anhand demografischer Grafiken nachvollziehen, die einen demografischen "Bauch" in der Altersgruppe zwischen 30 bis 55 Jahren zeigen, der sich in den nächsten 30 Jahren in einen demografischen "Kopf" verlagern wird. Österreich sieht in dieser Beziehung genau wie Deutschland aus, mit dem einen Unterschied, dass Deutschland ein Riese und Österreich ein Zwerg ist. Das heißt, dass die Bevölkerungsstruktur dieser Länder am Ende dieses Jahrhunderts so bizarr wie Sun City, Arizona, aussehen werden.

Demografische Pyramiden

Diese demografische Übergewichtigkeit ist noch bedrohlicher als die Epidemie an übergewichtigen Menschen, denen man heute in Amerika und Europa überall begegnet. Während der Einzelne sein Übergewicht aktiv durch eine Diät oder mehr an Bewegung bekämpfen kann, ist die demografische Übergewichtigkeit bedrohlicher: Sie zieht unerbittlich vom Bauch zum Kopf, sodass innerhalb eines halben Jahrhunderts unser demografischer (Landes-)Körper aus einem Riesenkopf auf sehr dünnen Beinen bestehen wird. Um diese Probleme mit ihren komplizierten ökonomischen, politischen und sozialen Konsequenzen zu lösen, wird es viele Jahrzehnte brauchen.

Will man über eine Lösung oder zumindest Verlangsamung dieses Prozesses nachdenken, muss man, genau wie in der Umwelt- und Klimaproblematik, in den nächsten Jahren anfangen und darf nicht mehr warten.

Die Lösung liegt auf der Hand: Entweder es entscheidet sich die Mehrheit junger Österreicher/-innen sofort für mindestens drei Kinder pro Familie (was kaum wahrscheinlich ist), oder man erhöht die Einwanderung junger, arbeitsfähiger Menschen aus anderen Ländern, die bereit sind, sich kulturell innerhalb einer Generation zu assimilieren. Menschen, die jung genug sind, um auch ihre zukünftigen Kinder in Österreich großzuziehen und sich dadurch noch schneller assimilieren. Gerade weil diese Möglichkeit so naheliegt, sind die letzten Wahlresultate nicht anders denn als dümmlich zu bezeichnen.

Nationaler Selbstmord

Wenn sich diese neuen Wähler einwanderungsfeindlicher Parteien nicht sogleich entscheiden sollten, Großfamilien zu produzieren, ist die xenophobe Ablehnung einer intelligenten Immigrationspolitik ein Rezept für den nationalen Selbstmord. Da ich die Wahlresultate als "dümmlich" beschreibe, will ich erklären, was eine "intelligente" Immigrationspolitik wäre.

Da Einwanderung zumindest ein Teil der Lösung sein muss, würde ich vorschlagen, zu einer aktiven Politik zu wechseln, also zu versuchen, Menschen nach Österreich zu bringen, die sich nicht nur assimilieren, sondern ökonomisch und gesellschaftlich zur Entwicklung des Landes beitragen können.

Osteuropäische Länder, die natürlich Einwanderer mit der besten kulturellen Anpassungsfähigkeit liefern könnten, haben genauso wenig Kinder wie Deutsche oder Österreicher und können kaum zur Lösung der demografischen Katastrophe beitragen.

Holt Inder und Nigerianer rein

Geeigneter erscheinen mir in dieser Hinsicht Indien, Nigeria (in der Hauptsache seine katholischen Teile) sowie Brasilien. Es ist wahrscheinlich, dass diese drei Länder im Jahr 2050 in der Bevölkerungszahl Platz eins, sechs und sieben belegen werden. Alle drei Länder haben viele Universitäten mit vielen jungen Menschen, die an einer Migration nach Europa interessiert sind. Das Hauptproblem einer Auswanderung nach Deutschland oder Österreich ist natürlich die Sprache, da Deutsch im Ausland nicht genügend unterrichtet wird.

Deutsch aber erst nach der Einwanderung zu lernen ist ein Riesenhemmnis. Wie wäre es, eine österreichische Organisation, ähnlich dem deutschen Goethe-Institut, in einigen der wichtigsten Universitätsstädte dieser Länder (z.B. Hyderabad, Bangalore, Ibadan, Ile-Ife, São Paulo und insbesondere Rio Grande do Sul, wo es viele Deutsche gibt) einzurichten, mit einem Schwerpunkt auf intensivem Sprachunterricht.

Aktive Politik

Das wäre ein vergleichsweise billiges Experiment, das zeigen würde, ob Österreich ein attraktives Auswanderungssziel für jüngere Leute sein könnte, die ihre Familien dann in Österreich gründen. Diese Strategie könnte eine kulturelle und wirtschaftliche Integration ermöglichen, die sich sehr von der Situation der "Gastarbeiter" früherer Jahrzehnte unterscheiden würde. Die Vorteile einer solchen aktiven Immigrationspolitik für ausgebildete Einwanderer wurden seit den 60er-Jahren in Amerika bewiesen, als die sehr restriktiven Quoten für Immigranten aus Asien für gut ausgebildete Personen dramatisch erweitert wurden.

In gewissen amerikanischen Hightech-Bereichen und an Elite-Universitäten wie zum Beispiel in Stanford, sind jetzt mehr als ein Drittel der Mitarbeiter oder Studierenden Ausländer, hauptsächlich aus Asien. Die USA sind eines der wenigen entwickelten Länder, deren Bevölkerung noch wächst, anstatt abzunehmen. Der einzige Grund hierfür ist die Einwanderung, insbesondere aus Lateinamerika. Im Jahr 2050 wird es mehr Kalifornier lateinamerikanischer Herkunft als solche aus Europa geben.

Als Amerikaner aus Wien - oder amerikanischer Wiener - halte ich es für meine Pflicht, diese kaum jemals ausgesprochenen Implikationen der Ergebnisse der letzten Wahl deutlich zu machen.
(DER STANDARD Printausgabe, 12.12.2008)

Freitag, 25. Juli 2008

Ungarn: Freie Bahn für die Feinde der Demokratie

Der Nazismus ist in Ungarn allgegenwärtig, sagte vor kurzem der Gründer der Ungarischen Antifaschistischen Liga, der Historiker, Professor Tamás Krausz und fügte hinzu: D"er Nazismus erlebt seit 1989 sogar einen regelrechten Triumphzug. Bei uns wird rechtes Gedankengut ungehemmt verbreitet, wobei ihm die Tatenlosigkeit der Behörden sogar den Weg ebnet"...

Von Magdalena Marsovszky
Mitarbeit: Katrin Kremmler

Auch der Leiter des Soziologischen Instituts der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Pál Tamás bestätigt diesen Trend: "Die äußerste Rechte befindet sich inzwischen in der Mitte, rechtsradikales Gedankengut wird allgemein akzeptiert, und 62 % der Befragten hasst die Roma schlicht und einfach", sagte er kürzlich in einem Interview. Tatsächlich sind in Ungarn die ausgrenzenden Ideologien stärker verbreitet als je zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg und die Gewalt auf der Straße ist inzwischen zum Hungaricum geworden.

Zuletzt war dies an der Gay Pride Parade, am 05. Juli 2008 der Fall, wo vermummte, maskierte Demonstranten die Teilnehmer mit Steinen, und Molotowcocktails bewarfen, die EU-Abgeordnete, Katalin Levai, den sozialistischen und den liberalen Abgeordneten Gábor Szetey und Gábor Horn angriffen, den bekannten linksliberalen Journalisten des Klubrádiós, József Orosz bewusstlos schlugen, 12 Polizisten verletzten, 13 Polizeifahrzeuge beschädigten, einen Kleinbus der Polizei in Brand setzten und dafür sorgten, dass die Parade zum Trauermarsch wurde. Es ist nur der Wachsamkeit der Polizei zu verdanken, dass eine größere Katastrophe vereitelt wurde: Kurz vor der Parade wurden auf den Hinweis von Nachbarn hin, die seltsame Gerüche aus einer sonst leer stehenden Wohnung bemerkten, sechs Männer festgenommen, die - dem Augenschein nach einige hundert - Eier mit Säure gefüllt hatten. Auch Chemikalien unbekannter Zusammensetzung, Säureflaschen und Behälter mit entzündlichen Materialien wurden sichergestellt.

Allgemein sind unter den Gewalttätigen nicht nur Hooligans, sondern immer auch gesetzte ältere Menschen zu finden, und wenn sie nicht selbst tätlich werden, so heizen sie die Lynch- und Pogromstimmung mit ihrem Gebrüll an, bei denen diesmal, wie auch sonst, außer schwulenfeindlichen Parolen auch antisemitische Äußerungen und Beschimpfungen des Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány zu hören waren. Nicht selten sind sogar die Polizisten und die Sanitäter, die zum Schutz von Demonstranten bereitgestellt sind, denen offensichtlich feindlich gesonnen, die sie eigentlich verteidigen müssten. So wurde diesmal einigen Teilnehmern der Parade die medizinische Hilfeleistung verweigert, wobei sich die Sanitäter darauf beriefen, dass sie ausschließlich zur medizinischen Versorgung der Ordnungskräfte anwesend seien. Ihre Aussagen wurden von nahe stehenden Polizisten bekräftigt.

Wie man sich unter den Marschierenden hat fühlen können, beschrieb die "Literatin, Jüdin und feministische Aktivistin", Polnaire in einem Bloggerforum folgendermaßen: "Gestern habe ich selbst erleben können, wie es sich 1944 angefühlt haben muss, zwischen zwei Reihen von Passanten hindurchmarschieren zu müssen. Wenn ich mir alte Filmaufnahmen angeschaut habe, habe ich mich immer über die Gleichgültigkeit der Leute aufgeregt, die damals auf den Gehsteigen herumstanden und dem Marsch zusahen. Nun habe ich erfahren, wie es sich anfühlt, wenn die Menge nicht nur gleichgültig schweigt, sondern von sich aus auf beiden Seiten der Absperrung "Dreckige Schwuchteln!" brüllt. (Na gut, sie haben uns nicht bis ans Donauufer marschieren lassen). Aber es war wirklich erschreckend, dass man bis ganz zum Schluss beim Stadtwäldchen nicht aus dem Marsch ausscheren konnte, so gern manche das auch getan hätten. In Höhe der Benczúr Str. leitete man uns auf eine Seitenstrasse um, weil die Polizisten die Andrássy nicht sichern konnten, so brach für eine Weile der Kordon auf. Zwei meiner Angehörigen – ein junges Ehepaar – wollten sich dort aus der Parade ausklinken und auf eine Caféterasse setzen, einerseits weil sie noch zu tun hatten, und andererseits hatten sie schlichtweg Angst. Der Ort schien passend, um sich dort einen Kaffee zu bestellen und sich unter die "friedlichen Bürger" zu mischen. Es dauerte keine halbe Minute, und sie flohen wieder zurück zu uns, in die "sichere" Parade – auf der Caféterrasse sahen ihnen solche Mienen entgegen, dass sie es für die bessere Alternative hielten. (Ich habe schon von etlichen Holocaust-Überlebenden gehört /gelesen, warum sie damals freiwillig aus der "Freiheit" zu ihren Angehörigen ins Ghetto marschiert sind...)"

Ungarns Demokratie ist in Gefahr, und die Feinde der Demokratie, so scheint es, gewinnen langsam die Überhand.

József Orosz, der bewusstlos geschlagene Journalist des liberalen Klubrádió richtete deshalb eine Rede an die Öffentlichkeit, die auch als Appell aufgefasst werden könnte:

"Am Samstag gingen in Budapest Heterosexuelle und Homosexuelle, Männer und Frauen, Alte und Junge, Landbewohner und Budapester zusammen auf die Strasse – anderthalb Tausend Menschen. In London waren es eine halbe Million, in Köln wurde ein Straßenfest abgehalten. Weder aus der Inselmetropole noch vom deutschen Karneval berichten die Nachrichtenagenturen von gewaltsamen Ausschreitungen. Dass in London und Köln gefeiert werden konnte, ist neben der Polizei auch den Demokraten zu verdanken.

Bei uns wurde auf ganzer Länge der Andrássy Strasse ein dreifacher Kordon errichtet. Auf beiden Seiten des Boulevards konnten die Gaffer, die verehrten Hauptstädter Zeuge davon werden, wie anderthalb Tausend Menschen, eingeschlossen, im erstickenden Gestank von faulen Eiern, im Stein-, Raketen, Tomaten- und säuregefüllten Eierregen unter Lynchatmosphäre nur unter Polizeischutz fähig waren, ihre verfassungsgemäßen Rechte auszuüben.

Die Praxis des Verfassungsgerichtes in Fragen von Landfriedensbruch, Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, Ordnungswidrigkeiten, lebensfeindlichen Ausschreitungen, Hassreden und Volksverhetzung; die Anklagepraxis der Staatsanwaltschaft, die Rechtssprechungspraxis der Gerichte, die Ermittlungspraxis der Polizei, die Double-speech der politischen Rechten, die Unfähigkeit der Regierung, die Einhaltung des Gesetzes zu erzwingen – all diese Faktoren zusammen, einander ergänzend und unterstützend, machen es möglich, dass die Radikalen in Ungarn schlichtweg Jeden – unsere Mitbürger, Freunde, Familienmitglieder, unsere Liebsten und Kinder, und auch Fremde und Unbekannte – terrorisieren, beleidigen, verprügeln und zusammenschlagen können. Die Verfassung garantiert uns die störungsfreie Ausübung des Rechtes auf freie Versammlung. Bei dem, was am Samstag geschehen ist, geht es um grundsätzliche Menschenrechte und den Kern der Demokratie. Wir alle sind in Gefahr! Die Republik, die Demokratie und das Recht lassen sich nicht durch Polizeikordons schützen. Der Sinn der Republik ist die Demokratie. Die Form der Demokratie ist die Republik. Das ist in Gefahr. Wir alle, Demokraten, sind in Gefahr. In unserem eigenen Land, hier in Ungarn."

Die gewaltbereite Stimmung in Ungarn erfährt zurzeit einen breiten gesellschaftlichen Konsens, wobei es das weit verbreitete völkische Denken im Land ist, das die Feindbilder generiert.

Dass das exklusive, völkische Denken auch in den akademischen Kreisen der Gesellschaft tief verankert ist, zeigt ein kurzer Ausschnitt aus einem Interview, das vor Kurzem im öffentlich-rechtlichen Kossuth Rádió zu hören war.

"Es gibt viele Erscheinungen, die man als ekelhaft empfindet", sagt der Mann auf die Frage nach der Gay Pride Parade in Budapest am 5. Juli. "Ich bringe Ihnen ein hässliches Beispiel. Nehmen wir das Bettnässen. Oder, wenn jemand seinen Stuhl nicht halten kann".
"Soll das heißen, dass Sie jetzt Parallelen ziehen?", fragt die Reporterin vorsichtig.
"Ja", antwortet er, "ich ziehe sehr wohl Parallelen. Wenn ein solches Symptom vorkommt, wird es mit Empathie behandelt, und wenn es möglich ist, wird es geheilt. Aber die Bettnässer werden keinen Aufmarsch organisieren und das Recht für sich beanspruchen, weiter ins Bett machen zu dürfen! Gegen solche Erscheinungen hat sich die Menschheit im Laufe der Geschichte immer gewehrt. Sie bedeuten im Zusammenhang mit der Erhaltung der Menschheit eine Gefahr, und zwar eine ähnliche wie die Pädophilie. Wir müssen aufpassen, denn die zwei Dinge sind nicht ganz unterschiedlich. Die Pädophilie gefährdet die Gesellschaft deshalb, weil sie Minderjährige gefährdet. Die Homosexualität deshalb, weil sie Erwachsene gefährdet".

Wer diese Sätze sagte, war kein Geringerer, als Gábor Vida, Evolutionsbiologe und Genetikforscher, Professor an der renommierten ELTE Universität, ordentliches Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und der European Society for Evolutionary Biology und Inhaber verschiedener Preise.

Es gab zwar eine Empörung, aber nicht bei denen, von denen man es zuerst erwartet hätte. Der Präsident der Akademie der Wissenschaften, József Pálinkás, bis zu seiner Ernennung in seiner neuen Eigenschaft Mitglied der nationalkonservativen Partei Fidesz-Bürgerliche Union, distanzierte sich nicht von seinem Freund und Kollegen. Professor Vida habe sich im Sinne des Rechtes auf freie Meinungsäußerung geäußert, sagte er.

Viele in Ungarn denken wie Professor Vida. Ihnen, das heißt, den völkisch gesinnten Meinungsbildnern, Wissenschaftlern, Politikern bieten die national-völkischen Medien eine geeignete Plattform, um ihre exklusive Haltung ungehemmt verbreiten können.

Die wichtigsten völkischen Parteien in Ungarn, die im Parlament vertreten sind, sind die Fidesz Bürgerliche Union (Fidesz-MPSZ), größte Partei des Landes, zur Zeit in der Opposition und voraussichtlicher Wahlsieger im Jahre 2010, sowie die Christlich Demokratische Volkspartei (KDNP), nach deren Selbstverständnis beide "christlich-partriotisch", deren Mitglieder öfters Antisemitisches äußern und mit außerparlamentarischen Rechtsradikalen zusammenarbeiten. Sie visionieren permanent das Chaos und den Untergang, weshalb der Ruf nach Ordnung und nach der "Erlösung der Gemeinschaft" mit Hilfe eines Führers immer größer wird.

Die beliebtesten völkischen Medien sind das HirTV (Nachrichten TV), das EchoTV und die zwei Tageszeitungen Magyar Hírlap (Ungarisches Nachrichtenblatt) und Magyar Nemzet (Ungarische Nation). Sie sind antidemokratisch, weil sie unausgewogen eindeutig als das Sprachrohr der völkischen Parteien tätig sind und auch die außerparlamentarische extreme Rechte legitimieren, womit sie selbst die Ausgrenzungstendenzen in der Gesellschaft nähren.

So war der Vorsitzende der Menschenrechtskommission im Ungarischen Parlament, Zoltán Balog (Fidesz-Bürgerliche Union) in einem Gespräch mit dem Moderator des HirTV, Philip Rákay im Zusammenhang mit der Gay Pride Parade vollkommen einer Meinung: "Menschenrechte haben nicht nur die Schwulen. Wir sollen diese Minderheiten schützen, aber bitte nicht zum Schaden der Mehrheitsgesellschaft".

Im Echo TV hat sich der Historiker, Vorstandsmitglied des "Haus des Terrors" und Betreiber der rechtsradikalen Internetportals www.barikad.hu, László Tóth Gy. ähnlich geäußert. Nach seiner Meinung war die Parade eine "einfache und billige Provokation" von Menschen, die eine "sexuelle Devianz" haben. In Ungarn stünden hinter dieser Parade "politische Interessen". Er benannte sodann auch gleich die Partei, die nach seiner Meinung hinter der Parade steht, nämlich die Liberalen. Da im völkisch-antisemitischen Diskurs die Liberalen schlicht als die "Judenpartei" gilt, stand für die Zuschauer sofort fest: Die Drahtzieher hinter solchen Ereignissen seien die Juden.

Eigentümer von EchoTV und Magyar Hirlap ist seit etwa einem Jahr der Forintmilliardär, Fabrikant, Medienmagnat und Ehrenvorsitzende des Arbeitgeberverbandes, Gábor Széles, der für eine künftige Regierung unter Fidesz-Bürgerliche Union als Wirtschaftsminister gehandelt wird, und der es zur Zeit mit den "Zigeunern" besonders gut meint. Man müsste ihnen nur von Zähneputzen bis zum Klo alles richtig beibringen und sie in ihrem Denken ändern, damit sie arbeiten, meint er.

Diese Beispiele zeigen deutlich, dass Gewaltausbrüche anlässlich der Gay Pride Parade nur die logische Konsequenz der ständigen Mobilisierung von seiten der völkischen Parteien und der völkischen Medien sind und nur die Spitze des Eisberges bedeuten. Diese Medien haben neben den rechtsradikalen Internetportalen die wichtigste mobilisierende Funktion im völkischen Kampf. Die völkischen Parteien und Medien nehmen die Hilfe der außerparlamentarischen Rechtsradikalen gerne in Anspruch und stellen für sie eine Plattform bereit, in der sie sich frei entfalten können. Diese sprechen dann ganz klar aus, was Sache ist, gehen zu Demonstrationen und werden stellvertretend für sie gewalttätig.

Selbst wenn sich die bereits erwähnten Parteien und Medien moderater ausdrücken, heißt das also noch lange nicht, dass sie demokratischer wären. Der Parteiführer von Fidesz-Bürgerlicher Union (Fidesz-MPSZ), Viktor Orbán, akzeptiere die parlamentarische Demokratie bereits jetzt nicht mehr. Sollte er 2010 die Wahlen gewinnen, was momentan realistisch erscheine, dann werde hier zwar eine verfassungskonforme, jedoch eine autokratische Machtübernahme ungesehenen Ausmaßes zu beobachten sein, sagte der Politologe József Debreczeni dem Klubrádió.

Dieser Entwicklung scheint auch das Verfassungsgericht zuvorkommen zu wollen, das auf Empfehlung des Staatspräsidenten László Sólyom vor kurzem den Gesetzentwurf zum Verbot der "Hassrede" kippte.

Die Meinungsfreiheit würde dadurch eingeschränkt, und die Demokratie in Ungarn sei stark genug, um sich zu verteidigen, hieß es in der Begründung. In der wichtigsten Frage, die zur Zeit die ungarische Öffentlichkeit beschäftigt, nämlich, wo eigentlich Hassrede anfinge und was noch vom Gesetz zur freien Meinungsäußerung abgedeckt werde, entschied sich das Verfassungsgericht dafür, das man weiter Juden-, Zigeuner- und Schwulenhetze betreiben könne.

Noch gibt es einige demokratisch denkende Zivilorganisationen und Verfassungsrechtler sowie den Ministerpräsidenten Gyurcsány, die damit nicht einverstanden sind. Die Verfassungsrechtler wollen in die Berufung gehen, zivile Organisationen haben das Verfassungsgericht aufgerufen, seine destruktive Haltung aufzugeben und statt dessen zu kooperieren, und der Ministerpräsident rief eine Charta für die Demokratie ins Leben.

"Die immer größere Massen ergreifenden antisemitischen und rassistischen Übergriffe stellen die Geduld der Gesellschaft immer mehr auf die Probe und führen logischerweise zu Konflikten", steht in einer Petition der Ungarischen Antifaschistischen Liga. "Die Gerichtsurteile scheinen der Reihe nach zugunsten der Rechten auszufallen und hinterlassen den Eindruck, als ob die Gerichte mit faschistoiden Gedanken sympathisieren würden. Das Urteil des Verfassungsgerichtes ist, als ob man Öl aufs Feuer gießen würde. Es nützt eindeutig den Kräften, die eine neonazistisch orientiert sind. Die Ungarische Antifaschistische Liga fordert deshalb die Regierung auf, der Stärkung der Rechten entgegenzuarbeiten und einen neuen Gesetzesentwurf gegen die Hassrede dem Parlament vorzulegen".

Inzwischen ahnt man in Ungarn, dass im Kampf um die Demokratie vom Westen wenig Beistand zu erwarten ist. "Es ist eine Illusion", sagte der bereits erwähnte Politologe József Debreczeni, "eine bestimmte Garantie für die Demokratie in der internationalen Staatengemenischaft zu erhoffen, in der wir uns befinden. Angefangen von der Olympiade in Peking bis hin zur Zusammenarbeit mit Putin sehen wir unzählige Beispiele dafür, dass der Westen in erster Linie nicht an der politischen Stabilität interessiert ist, sondern an der Wahrung seiner eigenen Interessen. Dafür ist er auch bereit, solche Regime als Partner zu akzeptieren, die bei näherem Hinschauen ganz offensichtlich nicht demokratisch sind".

Quelle: http://www.hagalil.com/europa/ungarn/ungarn.htm

Sonntag, 27. April 2008

ungarn hat mich niedergerungen

deshalb wir wohl mein blog hier nicht mehr viel ausführlicher werden. ich habe das mich ärgern aufgegeben (na, stimmt nicht), denn an diesem land ist hopfen und malz verloren.

Freitag, 25. Januar 2008

das haus verlassen...

was man nicht so alles erlebt, wenn man einmal das haus verläßt und mit leicht verschwollenen, aber weit geöffneten augen durch die stadt schreitet: auf dem fußweg nach hause vom keleti bahnhof habe ich von der rákoczi út aus gesehen, daß aus einem haus starker rauch quillt. nachdem ich schon lange nicht mehr gaffer gewesen bin, bin ich mit raschen schritten zum haus - feuerwehr, polizei alles da. ein haufen schaulustiger, inzwischen schlugen schon flammen aus dem 7. stock des hauses und langsam glühte die wohnung, wie holzscheite im ofen glühen, hellrot. einen stock höher stand ein altes mütterlein auf dem balkon. übers geländer gebeugt, damit sie luft bekommt, denn alles rund um sie ist voller schwarzen rauchs. die feuerwehr versuchte mit einer hebebühne hochzufahren, was nicht gleich gelang, weil - wie ihr üblich - sich ein kabeldschungel über die straße spannte, und dann reichte die hebebühne nicht ganz zum balkon. die zwei feuerwehrleute standen neben ihr und beruhigten sie. rund um mich und hinter mir besserwisser, die die feuerwehrleute mit den liebsten vorstellbaren namen benennen, warum sie denn nicht endlich zu löschen begönnen. irgendwelche jugendlichen idioten schreien zur alten hinauf: spring! ich hab mirs nicht verbeißen können und mußte die überklugscheißer belehren, woraufhin sie das maul hielten. in ungarn kann man auf die polizei schimpfen, auf die ärzte, die parkwächter, vielleicht sogar auf das heer. aber auf die feuerwehrleute nicht. das verbitte sogar ich mir.

Mittwoch, 16. Januar 2008

wie ich volkskundler geworden und hierhergekommen bin


ich habe in wien zu studieren begonnen. habe keine sau gekannt, bin also im ersten jahr sehr einsam gewesen im studentenheim und überhaupt. in österreich gibt's keinen solchen zusammenhalt mehr zwischen den studenten bzw. hat es ihn 1991 nicht mehr gegeben. die gleichgültigkeit war dort schon weiter fortgeschritten als hier. es ist mir also nicht gelungen, innerhalb eines jahres jemanden kennenzulernen, mit dem man plaudern, sich ab und zu treffen hätte können. ich war sehr viel allein. der bub vom land plötzlich in der großen stadt. wenige menschen ertragen solche einsamkeit, ohne sich irgendetwas anzutun. auch ich habe mir was angetan: ich habe zu fressen begonnen. habe mich von meinem normalgewicht - 78 kg bei 1,80 m - innerhalb von 8 monaten um 20 kg entfernt. ich habe mir also 20 kg hinaufgefressen.
auch meine studienwahl war von anfang an unglücklich: ich habe mit anglistik begonnen, nebenbei finno-ugristik. an der uni wien studierten damals 2.500 leute anglistik. also keine chance, irgendjemanden kennenzulernen. dann hab ich es mit publizistik versucht (4.000 studenten). und dann hab ich zufällig eine klassenkameradin aus der mittelschule getroffen, die ähnliche probleme gehabt hat. sie hat mich gefragt, ob ich mir nicht mit ihr das institut für volkskunde anschauen möchte - die beschäftigten sich mit bräuchen usf. hat sie gemeint. dann sind wir dort hingegangen. ein ganz kleines institut war das, heruntergekommen. bei der eingangstür ist eine kaffeemaschine gestanden mit häferln und der einem hangeschriebenen zettel: die pt. kollegen werden gebeten, die häferl nach dem kaffeekonsum abzuwaschen.
im sekretariat war ein riesiges chaos, das instutsfaktotum (ein 55jähriger mann, der ein bißchen zu klein geraten war und einen langen grauen bart trug) saß inmitten von bücherstößen und hatte einen großen vogelkäfig mit zebrafinken aufgehängt, ein bonsai stand im fenster, der hund der sekretärin (wie ich später erfuhr) lag mitten im weg, so daß man über ihn klettern mußte, wenn man sich am pult nach etwas erkundigen wollte...
dort bin ich dann geblieben. 80 studenten am ganzen institut. und dazu die finno-ugristik, wo es genauso viele waren.
es hatte was mit der überschaubarkeit des institutes zu tun und uninteressant war das ganze nicht, muß ich sagen; auf jeden fall interessanter als englische literatur oder ähnliches gewäsch.
es hat lange gedauert, bis ich fertig geworden bin - erst 2001 hab ich mein diplom gemacht; mit einer diplomarbeit über die csíksomlyói búcsú, einer ungarischen wallfahrt in siebenbürgen.

warum/wie ich nach/auf ungarn gekommen bin?
in unserem gymnasium fand ich auf dem schwarzen brett im jahre 1989 einen hangeschriebenen zettel mit adressen von schülern aus ungarn, die gern einen brieffreund hätten. ich hab mit ein paar adressen ausgesucht und geschrieben. ein gewisser lajos himmel aus kőbánya hat mir zurückgeschrieben, in schlechtem englisch und lauter uninteressantes und belangloses zeug. ich habe zurückgeschrieben, das ist so ein paar mal passiert und dann hat mich dieser lali nach ungarn eingeladen. ich will hier die folgenden schrecklichen ereignisse nicht weiter beschreiben (er hat sich eigentlich nicht um mich, sondern nur um seine freundin gekümmert, das tag und nacht, intensivst, auch neben mir).
nachdem ich damals noch diplomatischer war als heute, suchte ich nach einer möglichkeit - von ihm wegzukommen, ohne ihn zu beleidigen (ich habe von ihm seitdem nichts mehr gehört). ich ließ mir ein telegramm von zuhause schicken, daß ich dringend nach hause müßte. und im zug nach hause (am 11. august 1990) hab ich dann ein mädchen kennengelernt (anikó - worüber ich heute noch schmunzeln muß: ich dachte mir, anikó sei ein japanischer name, er klingt eigentlich auch heute noch japanisch für mich, und ich konnte nicht verstehen, warum ein ungarisches mädchen einen japanischen namen haben sollte), hab mit ihr briefeschreiben begonnen, dann hat sie mich eingeladen und gleich schlecki-schlucki usf. das ganze hat anderthalb jahre gedauert, sie hat dann einen deutschen geheiratet - hat zwei kinder und ist schon wieder geschieden. jetzt ist sie in budapest und das feuer, das dereinst in ihren augen gelodert hatte, ist verloschen.

der grundstein für eine engere beziehung mit ungarn war also gelegt.
dann war ich in 95/96 in debrecen studieren. liebe usw. später dann in budapest und bin halt hier geblieben.
habe alles mögliche gearbeitet, die eine zeitung, die andere zeitung; übersetzungen und dann schließlich diese arbeit an der tu bekommen.
so schaut's aus.

der garten war ihre liebe

die folgenden zeilen wurden von mir schon 2004 geschrieben. da ich heute wieder auf einem begräbnis war, hab ich sie mir neuerlich durchgelesen:

Mi, 18.02.2004 14:24

bin gerade von einem begräbnis zurückgekommen. schon vor mehr als einem monat ist eine kollegin von mir gestorben, meine zimmerkollegin sozusagen. wir haben die schreibtische gleich nebeneinander gehabt. sie war für den holländischen sprachunterricht zuständig, eigentlich ein unerträgliches frauenzimmer, schrill, laut, rechthaberisch; doch ich habe sie gemocht.
in einem kleinen häuschen hat sie gelebt, am rande budapests, der garten war ihre liebe. geraucht hat sie wie ein fabriksschlot, dauernd - und das war wohl auch ihr verhängnis. kein krebs. es war ganz überraschend. lungenentzündung und dann ein hustenanfall: lungenembolie. und ihre nachbarin hat die polizei gerufen, weil sie sie schon zwei tage nicht gesehen hatte.
zum begräbnis bin ich natürlich zu spät gekommen, bei budapests öffentlichem verkehr, und der tatsache, daß der friedhof am fuße der budaer berge liegt, kein wunder. draußen, vor der aufbahrungshalle bin ich gestanden; in diesem moment dachte ich mir, wenn zu meinem begräbnis einmal so viele leute kommen, kann ich mich nur freuen...
nach dem ende der messe - nach reformiertem ritus - der pastor hatte dauernd betont, daß er sie seit 20 jahren gekannt hätte, sie nicht gläubig im ursprünglichen sinne, aber doch ein guter mensch war (mir gegenüber hatte sie einmal gemeint, sie glaube an keinen gott); trotz dieser angeblich langen bekanntschaft sprach er dauernd ihren namen falsch aus.
nach dem ende der messe stellte sich heraus, daß nicht die trauernden so zahlreich waren, sondern der raum so klein.
man hatte sie eingeäschert, ich weiß nicht, warum sich menschen freiwillig verbrennen lassen; aber es sei ihr wunsch gewesen; barbarisch. die einäscherung ist die billigere variante, kein sarg, kein totenhemd, der tote körper muß nicht hergerichtet werden, eigentlich nicht einmal gewaschen. eine pappendeckelschachtel und hinein ins krematorium. so entledigt man sich seiner endgültig. der mensch ist aus staub geworden, und wird wieder zu staub. nur wird hier ein bißchen nachgeholfen, das ganze ein bißchen beschleunigt.
bei den juden ist die einäscherung verboten. wird der körper verbrannt, kann man am jüngsten tage nicht wieder auferstehen. ist doch der körper futsch. das leuchtet mir ein.
das porzelanhäferl mit der asche ist dann in einen glassturz mit vergoldeten tragegriffen gestellt worden, ins auto und dann ein kurzer trauerzug: ein versoffener totengräber hat eine kleine totenglocke geläutet, vier andere haben die urne im familiengrab verscharrt - einer hat geschaufelt, die anderen drei sind in ihren speckigen mausgrauen leinensakkos daneben gestanden, haben ein ernstes gesicht gemacht und sind, nachdem die letzte schaufel erde ins das kleine loch zurückgeschmissen war, auf ihre friedhofsdienstfahrräder gesprungen und davongesaust.
geweint hat keiner, dem pastor ist dauernd beim singen die stimme weggeblieben, wir standen im schlamm.
mach's gut, kata!

Samstag, 5. Januar 2008

verkehrserziehung in der republik schilda

im ungarischen verkehrsministerium hat jemand wieder einmal eine geniale [sprich: scheniale] idee gehabt, wie man nun den endlich die verkehrsmoral der ungarn verbessern könnte: wer jetzt an verkehrsunterricht in den schulen denkt, der irrt sich. wer an verstärkte polizeipräsenz denkt, an polizisten, die zuerst einmal verwarnen und nicht gleich frauen vergewaltigen, der irrt sich. wer an den ankauf von vielen radargeräten denkt, der irrt sich.
dieser vifzack aus dem ministerium ist der überzeugung (vielleicht war es auch ein verkehrssicherheitsausschuß, bestehend aus lauter vifzacken), daß eine erhöhung der strafen in unvorstellbare höhen dieses verkehrsmoralproblemchen löst und schwipp-schwupp das eu-ziel bezüglich der verkehrstoten erreicht ist. die strafen für schnellfahren liegen also ab mai bei mindestens 30.000 ft. (120 €) [auch bei 10 km/h schon], eine höhe, die es in zivilisierten ländern nicht wirklich oft anzutreffen gibt; viel öfter und von der laune des polizisten abhängig wird aber wohl eine strafe von 300.000 ft. (1200 €) verhängt werden, wie es von offiziellen stellen geheißen hat - z.B. für bei rot über die kreuzung fahren.
ein weiterer geniestreich ist die verordnung, daß man außerhalb des ortsgebietes nur mehr mit warnwesten radfahren und spazierengehen darf. so ist es halt in der republik schilda. nichts wirklich verändern wollen...

Dienstag, 1. Januar 2008

schengen auf österreichisch


seit 21. dezember sind auch die grenzen zwischen "ost"- und mitteleuropa passé, die grenzkontrollen abgeschafft, der schengenraum erweitert. sagt man zumindest. offiziell ist es so. an der tschechischen grenze, also hier bei uns, hat man natürlich wieder einmal eine eigene lösung gefunden - zollkontrollen an der grenze gibt es wahrlich keine mehr, jetzt kontrolliert die polizei. und zwar fast jeden; pässe werden gemustert und sehr viele kofferräume durchwühlt. offizielle stellen meinen, sie hätten ein recht dazu, und es muß die sicherheit der staatsbürger garantiert werden (weil bisher nie dunkle gestalten über die grenze gekommen sind...).
österreich setzt sich wieder einmal über europäische vereinbarungen hinweg. dann soll doch unser landeshauptmann wieder stacheldraht und selbstschußanlagen an der grenze aufstellen lassen. jetzt einmal auf dieser seite. ich verstehe das einfach nicht.
zu dem ganzen kommt noch ein pikantes detail: laut homepage der europäischen komission dürfen aus der tschechei ab 2008 - so wie es in der gesamten eu ist - 4 stangen zigaretten eingeführt werden. auch über diese regelung setzt sich österreich hinweg, um die trafikanten* zu schützen; in den zeitungen werden gezielt falsche informationen lanciert: 1 stange. bzw. eine stange mit nicht deutschem warnaufdruck. was ist das für eine eigenartige regelung? weil wir raucher deutsche aufschriften brauchen, um darüber informiert zu werden, daß rauchen schädlich ist? darf ich dann aus spanien auch nur eine stange mitnehmen? das widerspricht aber ärgstens den eu-zollregelungen und keiner erhebt dagegen das wort. hier geht es ums prinzip: was ist das nächste dann? dürfen bald nur mehr feinrippunterhosen eingeführt werden, die eine staatlich vorgeschriebene eingrifflänge haben?
österreich ist mitglied der eu und in der eu können staatliche monopole nicht mehr eifersüchtig gehütet werden, weil das dem prinzip des freien marktes widerspricht. drum versucht man es von hinten herum: die österreicher - obrigkeitsgläubig wie die deutschen - werden durch gezielte falschinformationen dazu gebracht das nicht mehr vorhandene staatliche monopol "freiwillig" noch ein wenig weiter zu unterstützten. jetzt reicht's mit dem verarschen der wähler aber langsam wirklich meine lieben herren und damen in der politik.

* das österreichische tabakmonopol wurde von maria theresia ins leben gerufen. bis zum heutigen tag dürfen zigaretten zum amtlich festgelegten preis nur in trafiken verkauft werden. die trafiken - das tabaksverkaufsrecht - erhielten nach dem 1. weltkrieg und auch dem 2. kriegsversehrte, die hände oder beine verloren hatten; sie arbeiteten also in einer geschützten werkstätte. das eigenartige war immer schon, daß das tabaksverkaufrecht vererbt wurde: heute also pumperlgesunde menschen diese trafiken besitzen, die keinen krieg und keine not erlebt haben, geschäfte ohne konkurrenz führen und dann jetzt auch noch sudern, daß sie solche geschäftseinbußen haben, weil die leute an der grenze ihre tschicks über der grenze kaufen. und der staat rüstet zum schutz der privilegierten, wie es sich ein einem konservativen staat ja gehört.

[ergänzung] die österreichische tschick-clownerie mit den deutschen warnaufschriften IST ein eu-gesetzesbruch:
Richtlinie 66/683/EWG der Kommission vom 7. November 1966 für die Beseitigung jeder unterschiedlichen Behandlung zwischen inländischen Waren und den gemäß Artikel 9 und 10 des Vertrages zum freien Verkehr zuzulassenden Waren auf Grund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die die Verwendung der genannten eingeführten Waren untersagen und die Verwendung inländischer Waren vorschreiben oder eine Vergünstigung von einer solchen Verwendung abhängig machen.
http://eur-lex.europa.eu/de/repert...m#02401010