Mittwoch, 16. Januar 2008

der garten war ihre liebe

die folgenden zeilen wurden von mir schon 2004 geschrieben. da ich heute wieder auf einem begräbnis war, hab ich sie mir neuerlich durchgelesen:

Mi, 18.02.2004 14:24

bin gerade von einem begräbnis zurückgekommen. schon vor mehr als einem monat ist eine kollegin von mir gestorben, meine zimmerkollegin sozusagen. wir haben die schreibtische gleich nebeneinander gehabt. sie war für den holländischen sprachunterricht zuständig, eigentlich ein unerträgliches frauenzimmer, schrill, laut, rechthaberisch; doch ich habe sie gemocht.
in einem kleinen häuschen hat sie gelebt, am rande budapests, der garten war ihre liebe. geraucht hat sie wie ein fabriksschlot, dauernd - und das war wohl auch ihr verhängnis. kein krebs. es war ganz überraschend. lungenentzündung und dann ein hustenanfall: lungenembolie. und ihre nachbarin hat die polizei gerufen, weil sie sie schon zwei tage nicht gesehen hatte.
zum begräbnis bin ich natürlich zu spät gekommen, bei budapests öffentlichem verkehr, und der tatsache, daß der friedhof am fuße der budaer berge liegt, kein wunder. draußen, vor der aufbahrungshalle bin ich gestanden; in diesem moment dachte ich mir, wenn zu meinem begräbnis einmal so viele leute kommen, kann ich mich nur freuen...
nach dem ende der messe - nach reformiertem ritus - der pastor hatte dauernd betont, daß er sie seit 20 jahren gekannt hätte, sie nicht gläubig im ursprünglichen sinne, aber doch ein guter mensch war (mir gegenüber hatte sie einmal gemeint, sie glaube an keinen gott); trotz dieser angeblich langen bekanntschaft sprach er dauernd ihren namen falsch aus.
nach dem ende der messe stellte sich heraus, daß nicht die trauernden so zahlreich waren, sondern der raum so klein.
man hatte sie eingeäschert, ich weiß nicht, warum sich menschen freiwillig verbrennen lassen; aber es sei ihr wunsch gewesen; barbarisch. die einäscherung ist die billigere variante, kein sarg, kein totenhemd, der tote körper muß nicht hergerichtet werden, eigentlich nicht einmal gewaschen. eine pappendeckelschachtel und hinein ins krematorium. so entledigt man sich seiner endgültig. der mensch ist aus staub geworden, und wird wieder zu staub. nur wird hier ein bißchen nachgeholfen, das ganze ein bißchen beschleunigt.
bei den juden ist die einäscherung verboten. wird der körper verbrannt, kann man am jüngsten tage nicht wieder auferstehen. ist doch der körper futsch. das leuchtet mir ein.
das porzelanhäferl mit der asche ist dann in einen glassturz mit vergoldeten tragegriffen gestellt worden, ins auto und dann ein kurzer trauerzug: ein versoffener totengräber hat eine kleine totenglocke geläutet, vier andere haben die urne im familiengrab verscharrt - einer hat geschaufelt, die anderen drei sind in ihren speckigen mausgrauen leinensakkos daneben gestanden, haben ein ernstes gesicht gemacht und sind, nachdem die letzte schaufel erde ins das kleine loch zurückgeschmissen war, auf ihre friedhofsdienstfahrräder gesprungen und davongesaust.
geweint hat keiner, dem pastor ist dauernd beim singen die stimme weggeblieben, wir standen im schlamm.
mach's gut, kata!

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