Sonntag, 5. Juli 2009

Bis zu 5000 Euro Strafe für zu viel Ungarisch

Nach der Verabschiedung eines neuen slowakischen Sprachgesetzes kracht es zwischen Budapest und Bratislava wieder gewaltig
Ungarn will den Europarat anrufen. Zum Streit soll auch die Wirtschaftskrise beigetragen haben.


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Wien - Für jedes falsche Wort droht eine Geldstrafe: Die Lehrer in den slowakischen Schulen müssen sich ab September am Riemen reißen, zumindest wenn sie der ungarischen Minderheit angehören. In Klassen dürfen sie wie bisher ungarisch mit ihren Schülern reden. Aber mit den Kollegen in den Pausen darf künftig nur mehr auf Slowakisch getratscht werden, sonst droht eine Geldstrafe.

So interpretieren die Juristen im ungarischen Außenministerium das neue slowakische Sprachgesetz. Seitdem der Rechtstext in der vergangenen Woche von den Regierungsparteien durch das Parlament in Bratislava gepeitscht wurde, fliegen zwischen Ungarn und der Slowakei wieder die Fetzen.

Schriftgröße als Politikum


Die ungarische Regierung sieht in dem Gesetz eine klare Verletzung der Minderheitenrechte, ein geplantes Treffen der beiden Premierminister wird entfallen. Die rechtskonservative Oppositionspartei Fidesz geht einen Schritt weiter und spricht gar von Ungarnverfolgung. Ungarn müsse endlich begreifen, dass die Slowakei ein unabhängiges Land ist, lautet die Replik aus Bratislava.

Was die Gemüter so erhitzt, ist ein auf den ersten Blick unscheinbares Gesetz, das den Gebrauch der slowakischen Sprache in der Öffentlichkeit regeln soll. Für die über eine halbe Million ungarischsprachiger Slowaken bringen die neuen Bestimmungen aber Einschränkungen. Auf Werbetafeln sowie in allen öffentlichen Ankündigungen muss künftig immer zuerst der slowakische Text abgedruckt werden.

Auch Texte auf historischen Gedenktafeln müssen zuerst slowakisch verfasst sein, für die ungarische Übersetzung gilt eine maximale Schriftgröße. Geografienamen, etwa in Schulbüchern, dürfen künftig nicht mehr allein auf Ungarisch stehen. Laut der ungarischen Leseart schränkt das Gesetz sogar ein, wann ein Arzt mit seinen Patienten ungarisch sprechen darf. Für Verstöße drohen zwischen 100 und 5000 Euro Strafe.

Geschwächtes Ungarn

"Kein Mensch glaubt, dass das Gesetz wortgetreu umgesetzt wird, aber es erlaubt den slowakischen Behörden, jederzeit gegen die ungarische Minderheit vorzugehen" , sagt ein ranghoher Beamter im ungarischen Außenministerium. Ungarn will nun den Europarat und die OSZE in dieser Causa anrufen.

Die slowakisch-ungarischen Beziehungen sind traditionell schlecht und haben 2008 einen Tiefstand erreicht. Politologen sprechen vom angespanntesten Verhältnis zweier EU-Staaten.

Dass die Slowakei den Konflikt jetzt erneut anfacht, hängt laut dem ungarischen Außenministerium auch mit der Wirtschaftskrise zusammen: Ungarn stehe massiv geschwächt da, der Moment sei für die Slowakei günstig, um Streitfragen zu klären. Zudem stehen 2010 Wahlen an, und der slowakische Premier Robert Fico dürfte auf die Unterstützer der rechten Slowakischen Nationalpartei schielen.

Der slowakische Politologe Tomáš Strážay glaubt zudem, dass die Slowakei Druck auf Ungarn ausüben will, um die Auflösung des ungarischen Karpatenforums zu erreichen. In dem 2004 gegründeten Forum treffen sich ungarische Politiker aus der gesamten Karpatenregion. Das Forum ist in Ungarn rechtlich anerkannt und darf dem Parlament Vorschläge übermitteln. Weil damit slowakische Politiker an das ungarische Parlament angebunden sind, ist Bratislava erzürnt. Ungarn sah dagegen bisher keinen Grund für ein Entgegenkommen.
Quelle: (András Szigetvari/DER STANDARD, Printausgabe, 6.7.2009)

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