Donnerstag, 6. Dezember 2007

naiv bin ich gewesen?

es scheint, ich bin die letzten zehn jahre, was das ungarische pflichtschulwesen angeht, ein wenig naiv, ja blind und taub gewesen. ich war bis vor einigen tagen der festen überzeugung, daß in ungarischen gymnasien hauptsächlich lexikalisches wissen vermittelt wird (was von den ungarn selbst immer als kritik am eigenen schulwesen angeführt wird). daß in ungarischen schulen keine kritischen menschenkinder erzogen werden, war mir lange klar, daß wenig praktisch anwendbares wissen vermittelt wird, war mir auch klar; ich war aber wirklich der aufrichtigen überzeugung, daß das mit dem lexikalischen wissen stimmte. es stimmt nicht. das auslösende moment war meine einfache frage, wann den nun der wiener kongreß stattgefunden hätte - ich war mir nämlich nicht sicher, ob 1813/14 oder 1814/15 - zu meiner entschuldigung sei hier zu erwähnen (worauf ich aber nicht gerade stolz bin), daß ich während der geschichtestunden im gymnasium meine kenntnisse im zweier-, dreier-, vierer-schnapsen perfektionierte, wir also unserer lieben lehrerin auf der nase herumgetanzt sind - deshalb war ich so frech zu fragen und ich habe keine antwort bekommen. in einem land, in dem man in geschichte maturieren muß - was für einen mir unergründlichen sinn das auch immer hat - ist es doch wohl wirklich nicht zu viel verlangt, besonders wenn es sich um frisch vom gymnasium gekommene handelt, zu wissen, wann den nun dieser blöde wiener kongreß stattgefunden hat. da ist mir dann wirklich viel klar geworden; die letzten fünf jahre sind wie ein film vor meinen augen abgelaufen: der großteil der pflichtschulabsolventen in ungarn verfügt über 1) keine kritische, hinterfragende betrachtungsweise der dinge; 2) kein praktisches wissen; 3) kein lexikalisches wissen. was lernen die leute dann in der schule? das würde mich schon interessieren. drücken sie 12 jahre die schulbank, weil es in der schule schön warm ist (über die ungarischen heizgewohnheiten gilt es sich ein anderes mal auszulassen)? ich versteh die welt wirklich nicht mehr. sind die leute in der schule, weil die eltern sich nicht um sie kümmern können und ein 15jähriger im kindergarten doch ein wenig blöd wirken würde?
es gibt auch bei uns in österreich viele koffer, aber die werden von unserem schulsystem, das bei der neuesten pisa-studie auch wieder nicht besonders fein abgeschnitten hat, zumindest ein wenig aufs leben vorbereitet. davon spür ich hier überhaupt nichts.

[ergänzung] und ich habe auch schon eine unliebe reaktion auf diesen eintrag bekommen. wenn man kein ungar ist, darf man nichts sagen, hat man zu kuschen. am besten wäre es, das land schleunigst zu verlassen. denn: ist man kein ungar und wagt man irgendetwas anzusprechen, das stinkt wie drei lastwagen voller verrotteter fische - was natürlich jeder riechen kann -, ein nicht-ungar aber nicht erwähnen darf, wird einem gleich die tür gewiesen.

[ergänzung 2] die diese zeilen lesen, sind natürlich von dieser bösen verallgemeinerung ausgenommen. wer aber trotzdem beleidigt sein will, dem sei es vergönnt.

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